Einige der Söhne Ludwigs, Heinrich, Albert, Alexander, Paul, Hans, Walther, Wolfgang und Willi wurden bereits in den Brie­fen erwähnt, auf den ältesten Robert und die zweite Tochter Margarethe werden wir noch zu sprechen kommen. Wenden wir uns zu­nächst dem Schicksal des jüngsten Sohnes Reinold zu,   der am 31. Mai 1876 in Halle geboren worden war.

"Reinold besuchte Vorschule und Stadtgymnasium in Halle, studierte in Halle, München und Rom Medizin. Eine in letzter Stunde vorge­nommene Blinddarmoperation bewirkte in dem bis dahin lebensfreu­digen heiteren Jüngling eine dauernde körperliche Behinderung und eine seelische Depression, die ihn veranlaßte, Erholung in einem Sanatorium in Schierke zu suchen, wo er unerwartet seinen Leiden erlag. Seine Violine hat jetzt sein Namensvetter, der jüng­ste Sohn von Walther 1... im Besitz." 2

Reinold hatte am 7.April 1903 den Freitod gewählt.3 Der ältere Bruder Heinrich schreibt in diesem Zusammenhang an seinen Vater Ludwig in Halle:

Greifswald, den 5.April 1903 Lieber Papa !

Martins Brief bringt uns die Nachricht von Reinolds frühem und schnellem Tod, der ihn so jung an das Ziel gebracht hat, dem wir alle zueilen. In den Tagen des Zusammenseins in Berlin haben wir uns noch an seinem unverändert guten, kindlichen und liebenswür­digen Wesen erfreut und keine Ahnung davon gehabt, daß ein schwerer Krankheitskeim sich in ihm entwickelte und sein Nervensysthem im Begriff war, in solche Aufregung zu gerathen. Es gibt so, trau­rige Verluste, daß menschlicher Trost kraftlos ist und man nur durch eine innere Stimme getröstet wird, die uns versichert, daß in einer Zukunft, von der unser Geistesauge in diesem Leben nichts sieht, alle Thränen abgewischt werden müssen und alle Trauer und Dunkelheit sich aufhellen wird. In einer Beziehung hat Reinold sein Leben besser, als seine älteren Brüder ausfüllen können, in der Abtragung der Liebes­pflicht gegen seine Eltern, denen er in ihrem Alter soviel sein konnte Du bist uns nun als einziger Mittelpunkt des Hauses geblieben. Möge Dir auch in diesen Tagen unserer Trauer die alte Kraft und das feste Herz geschenkt werden.. Therese und die Kinder grüßen herzlich. Auch an alle Geschwister herzliche Grüßen  Dein treuer Sohn Heinrich

 

In einem Brief vom Ende April 1903 geht Martin nochmals auf das Ereignis  ein:

Lieber Vater !

Für Deinen Brief danke ich Dir vielmals. Hier in Halle geht alles leidlich. Der Großvater war zwar in der letzten Zeit, als ihn die erste Aufregung nicht mehr aufrecht erhielt, recht schwach; es geht ihm aber jetzt schon wieder von Tag zu Tag besser, so daß sein Zustand hoffentlich bald wieder der alte sein wird. Auch von Reinold spricht er schon verhältnismäßig ruhig.

über den Charakter  unserer Familie will ich nicht mit Dir streiten, der Natur der Sache nach mußt Du ihn ja weit besser ken­nen als ich und ich würde mich freuen, später mehr von Dir hier­über zu erfahren. Was Reinolds Tod betrifft, so sind wir uns ja in der Hauptsache einig, daß das Unglück auf Rechnung der Verhält­nisse zu schieben und nicht als seine Schuld zu betrachten ist. Dennoch bleibe ich dabei, daß es gut so ist, und dies ist nicht nur ein Trost für mich, sondern sogar der einzige, den ich hier und überall im Leben habe. Der Gedanke an eine Auflösung aller Disharmonien des Lebens in einem versöhnenden Schlußakkord ist der einzige, den ich mir aus dem Zusammensturz meiner Religion geret­tet habe und er wird mir immer mehr gestärkt, wenn ich von irgend einem Punkte rückblickend mein Leben oder die Geschichte der Mensch­heit, wie der Einzelnen überblicke. So kann ich keinen prinzipiellen Unterschied zwischen gut und schlecht oder gut und böse und soweit ich Dich kenne, wirst Du dies auch nicht thun.“

 

                                                                                                                                                   28.4.03

Liebe Mutter !

Gestern war ich zu zwei Konfirmationen geschleppt. Lotte Triebel 4 und Ludwig Herzfeld 5. Noch nie habe ich so sehr den Gegensatz zwischen der Triebelschen und der Herzfeldschen Familie empfunden. - Die Triebels mag ich durchaus nicht leiden, ausge­nommen Frieda Knaths und Onkel Ernst Triebel ... Tante Klara aber macht fortgesetzt ihr Herz zur Mördergrube.

Ich glaube, es ist gut, daß Maria aus dieser engen und beklemmen­den Atmosphäre hinaus kommt. Sie hat sowieso großen Hang zur tadel­losen Philisterhaftigkei. Ihr zweiter Fehler ist ein äußerlicher; sie tritt zu wenig energisch und selbstbewußt auf.(Was allerdings ein Herzfeldscher Fehler ist). Z.B. Lotte Triebel, dieses dumme und äußerst ungezogene Balg, erscheint infolge ihrer Dreistigkeit viel vorteilhafter. Maria scheint mir auch ziemlich schwächlich, zart und vorallem sehr kurzsichtig zu sein. Ich würde sie keine Handarbeit mehr ausführen lassen (Stickerei und so). Reiche Damen wie die Tante Knaths  mögen sich ihre Zeit und ihre Augen da­mit verderben: Ein modernes Mädchen, das sich ev. ihr Brot durch angestrengte geistige Arbeit, selber verdienen muß, darf nicht solche Gesundheitsverschwendung treiben. Ich würde die Maria lieber tur­nen lassen, viel spazieren laufenvtus.g»

Findest Du nicht auch, daß sie trotz ihrer gesunden Urteilskraft einen recht engen geistigen Horizont besitzt ? Sie ist so gräß­lich autoritätengläubig und dabei verkümmern ihre besten geistigen Fähigkeiten. - Nun ganz so schlimm wie früher ist es nicht mehr und ich habe mich schon öfter relativ vernünftig mit ihr unterhal­ten.

Hoffentlich bis Du mir nicht böse, daß ich Dir so offen sage, was ich denke. ....

           Maria Herzfeld (Halle, o.D.)

 

Lieber Vater !

Ein Kukuksei, welches die Maria hier in Halle zurückgelassen hat, veranlaßt mich, gleich noch einmal an euch zu schreiben. Das Ei hat folgende Dotter: Die Maria wollte der Lotte Tr. zur Kon­firmation ein Richard-Wagner-Bild schenken; Preis, wie ich nach­träglich erfahren: 6 M.

1) Sie geht in die Hofmusikalienhandlung zu Koch, Neue Promenade; zusammen mit Frl. Feldmann, denn Triebels oder andere Gotteskin­der sollten nichts von der Überraschung wissen.

2) Sie bestellt (vorigen Mittwoch) in genannter Handlung ein Richard-Wagnerbild mit ausgesuchtem Rahmen, das bis zum Sonnabend fertig sein soll, vorbehaltlich des Umtausches gegen einen Mozart­kopf, auf den Namen Justizrat Herzfeld.

3) Sie ist seitdem nicht mehr dort gewesen.

Diese Darstellung gibt Koch. Frl. Feldmann bestätigt sie. Heute kommt das Bild zu Justizrat Herzfeld. Groß Erstaunen. Ich roch, mit meinem Spürsinn, das Maria es bestellt habe. Geh zu Triebels: Groß Erstaunen. "Maria hat der Lotte schon ein silbernes Ketten­armband geschenkt. Wozu noch das Bild?" Gehe zu Koch, um obige Darstellung zu erhalten. Das Bild ist nicht' bezahlt. Gehe zu Triebels; da erzählt mir Lotte Triebel folgendes: Maria habe ihr vorigen Sonnabend erzählt:

1) Ich wollte Dir eigentlich kein Kettenarmband, sondern obiges Bild schenken.

2) als ich am Sonnabend zu Koch ging, war es, obwohl zu diesem Termin bestellt, noch nicht fertig, worauf ich sagte, ich reflek­tierte nicht mehr darauf.

Darauf ging ich zu Koch, dieser behauptet, die betreffende Dame sei überhaupt nur einmal da gewesen, nämlich am Mittwoch, um das Bild fest zu bestellen. Da sie nicht wiedergekommen sei, hätte er heute am Montag, das Bild an die angegebene Adresse "Justizrat Herzfeld" geschickt.

Hierauf nahm ich das Bild und brachte es Koch zurück, indem ich ihm sagte, er solle sich an Dich wenden, aber nicht vor nächsten Freitag, weil früher die betr. Dame nicht in Greifswald sei. (Oder kommt Maria erst Donnerstag in 8 Tagen nach Hause ?) Ich habe schon an Maria geschrieben, sie solle mir unverzüglich ihren Bericht über die Sache einsenden, den ich dann sogleich an Dich gelangen lassen werde, überhaupt gleich nach Greifswald ge­wiesen hätte. -

Hoffentlich scheltet ihr die Maria nicht zu sehr aus, da sie an ihren moralischen Zahnschmerzen genug haben wird. Die Angele­genheit bestätigt mir, was ich über sie an die Mutter geschrieben habe. Sie ist zu sanftmütig und christlich, zu Verwandten und Auto­ritäten poussierlich, zuwenig klar und selbstständig l Nun, sie ist ja noch jung; aber ich fürchte, daß Greifswald nicht, der ge­eignete Boden ist, um Persönlichkeiten erwachsen zu lassen, wohl fast noch weniger als Halle.

Hoffentlich geht es euch gut. Ich kann dies von mir sagen. Dein tr. Sohn

Martin

Einige Monate später erwartete Martin den Besuch seines Vaters Heinrich:

 

 

 

Halle  29.07.03

 

 

Lieber Vater !

Für deinen Brief danke ich Dir herzlich. Da Du am Donnerstag hier­her kommst, schreibe ich bloß eine Karte. Du kannst hier sowohl auf dem Martinsberg wie bei Onkel Paul logieren. Zugleich mit Dir wird wohl Tante Käte aus Dresden 6  mit den Kindern hier sein ...

Im Oktober desselben Jahres stattete Maria Halle wieder einen Be­such ab:

"... Sonst geht es mir sehr gut, unsere Verwandten in Halle sind vergnügt und gesund. Großvater ist bei gutem Appetit und guter Laune. Maria habe ich gleich am ersten Tage gesehen. Das Bärbchen ist sehr groß und hübsch geworden ....

(29.10.03)"

Im Dezember finden wir dann Martin und Maria auf Bärbels Geburts­tag: "Gestern war ich mit Maria bei Onkel Wolfgang zu Bärbchens Geburtstag. Wir haben die Reste einer großen Gesellschaft aufge­gessen. "

Von seinem Großvater Ludwig weiß er unter dem Datum vom 19.3.04 zu berichten: "Der Großvater hat gestern ein großes Diner der Hallischen Maschinenfabrik mitgemacht, was ihm gut bekommen ist." Fünf Tage später, am 24.3.04, heißt es: "Der Großvater trägt sich jetzt mit einem Weltreiseprojekt. Das Endziel soll Onkel Willis Schnapsfabrik in Mocker bei Thorn sein. Tante Clara ") hat ihm aus Berlin einen Brief geschrieben, sie könnte ihn jetzt und über Ostern nicht gebrauchen. Darob triumphiert Fräulein Stenzel, und nun fahren sie gerade nach Berlin, aber nicht nach dem Grunewald. Ihr kennt doch die schöne Geschichte, wie Tante Clara bitterlich heulte, wie eine kleine Katze, die ihre erste Naschhaftigkeit be­reut, als sie nämlich den Großvater nicht führen durfte, weil Frl. Stenzel dies besser könnte. Interessieren Dich solche Geschich­ten ? Ich könnte Bücher damit füllen. -"

Er weiß aber auch über einen Abend zu berichten, "wo sie mich zu Ernst Triebel schleiften, um die hohe Braut Miecke zu beweihräuchern. Soll sie nicht so berühmt singen ? Aber nur ihre strahlende Tante Maria Heunacher sang - die Uhr !! und Miecke hatte eine quietschige Stimme wie ein kleines Ferkel, wenn sie sich lebhaft unterhielt. Ich hätte sie nicht geheiratet. Der Bräutigam hat aber desselbigen Tages sein Assessorexam7en gemacht."

 

Undatierter Brief  (vermtl. Halle, April 1904)

Liebe Mutter !

Mir geht es gut. Euch hoffentlich auch. Den Verwandten auch. Über­morgen wird das Knäblein des Onkels Paul mit dem Namen Karlchen7   aus der Taufe gehoben. Darob ist viel Freude und Wonne. In der Zeitung habe ich gestern gelesen, daß in Heran auch ein Knäblein getauft wurde und sogar christkatholisch! Als sie nun zu Ende waren, siehe, da war das Kindlein tot. Wie gut, daß sie es vorher noch getauft hatten!! Entschuldigt die schlechte und absonderliche Schrift. Ich liege schreibend im Bette, weswegen ich die Buchstaben so schräg nach links stelle.

Des heutigen Abends erquickte das Land ein wunderbares Gewitter, nach dem in den letzten Tagen Mensch und Vieh vor Hitze gar jäm­merlich zum Himmel lechzten. Als das Gewitter begann, ging ich hinaus und besah mir das Flammen und Zucken der Blitze, und freute mich an dem furchtbaren Hallen des Donners, während außer mir kein Mensch draußen war, denn das Gewitter war fast schrecklich, und als ich nach Hause kam, triefte ich wie ein Schwamm, den man aus­drückt.

 

Der Prof. Riehl hat gestern und heute über das System der Wissen­schaften geredet und hat noch nie so gut gedacht, ist auch noch nie so betrampelt worden. Gestern waren die Hörer ganz begeistert, und er schritt erhobenen Hauptes hinaus, während das überzeitliche Bewußtsein auf seinem Scheitel glänzte. - So nannte nämlich der alte Üphues den lieben Gott!! Der Astralleib - Ihr wißt doch, wer das ist ? - war auch mit im Kolleg und bohrte sich bei der erha­bensten und würdevollsten Stelle in den Ohren und in der Nase. Dies erinnerte mich an die Taufe des Kindes Bärbchen bei Onkel Wolf­gang, bei welcher auch der Sohn Fritz zur Verherrlichung der Feier mit anwesend war. Nachdem nämlich der Pastor lange und eindring­lich mit den versammelten Erwachsenen geredet, bes. zu den Paten, zu denen auch ich gehörte, wandte er sich zu Fritz und ermahnte ihn mit salbungsvoller Miene, immer darauf bedacht zu sein, das Himmel­reich zu erben, während ihn dieser Knabe mit dem Ausdruck eines Kalbes ansah und sich schließlich in beiden Nasenlöchern bohrte.

Hier war das entschieden ein Zeichen begrifflichen Unvermögens und mangelnden Verständnisses, während es bei dem Astralleib auf tiefes Versunkensein in den Gegenstand und regste Anteilnahme hin­deutete. Für so verschiedene Seelenzustände können also dieselben Ausdrucksbewegungen gelten!!

 

 

Am vorigen Sonntag ist der Knabe bei Onkel Paul getauft worden und hat sich stillgehalten und nicht geschrieen, obgleich der Herr Oberpfarrer sehr lange redete. Es gab Krebssuppe, an welcher sich Onkel Albert den Magen verdarb. Sie war auch dunkelrot an­statt rosenrot. Die Sippe von Tante Hannah hatte dem Taufknaben ein elegantes Spitzenjabot geschenkt, von dem man sagte, ein Prinz könne es nicht schöner haben. Die Kinder waren im Erker zu einer Eßgruppe arrangiert, die  jedermann "reizend" und "entzückend" fand. Die Gänseleberpastete war gut. Frl. Stenzel hatte ein Kleid mit Valentiennespitzen an. Die Brühe zürn Zander war schmackhaft, wie dieser nicht minder, aber zu breiig.

Diese plastische Schilderung, welche die wesentlichsten und packensten Momente der Feierlichkeiten enthält, haben mir der Groß­vater und Tante Anna gegeben, denn ich war nicht da. Es waren überhaupt bloß "Alte" da. Seit diesem Essen, das er trotz, der dunkelroten Krebssuppe gut überstanden, ist der Großvater sehr wohlgemut. Wie es im Juli mit dem Essen werden wird, wo die ganze Gesellschaft verreist, weiß ich noch nicht. Wie geht es euch denn ? Was machen die anderen Kindlein ?

Viele herzliche Grüße

sendet Dir

Dein tr. Sohn

Martin

Halle, d. 7.6.04

...  Hier war neulich Tante Luise 8 vorher war sie in Berlin. Dort ist inzwischen der alte Oberwarth 9  eines grässlichen Todes

gestorben. Die Tante Luise erzählte den ganzen Tag davon, das war auch grässlich, Ihre Enkelin Lili 10 hat sich verlobt. Wir waren froh als sie wieder fort war. Dem Großvater geht es leidlich gut. Wei­ter komme ich absolut nicht mit den Verwandten zusammen...

 

 

                                                                                                                                             Greifswald, d.22.6.04

 Mein Lieber Martin !

Es ist diesmal lange Zeit verstrichen, ohne daß Du ein Lebenszeichen von uns erhalten hast, doch hast Du das vielleicht gar nicht bemerkt, Hoffentlich ist es Dir, lieber Junge, immer gut ergangen, wenigstens berichtete das Tante Mietze, die uns Reinolds Sachen schickte. Eigentlich war es mir sehr peinlich, daß sie uns alles sandte, denn ich hatte überhaupt nur an einen Anzug für den Gottfried gedacht. Solltest Du es für angezeigt halten, dem Großvater gegenüber etwas von den Sachen zu erwähnen, so danke ihm in meinem Namen. Gott­fried kann vieles nur mit kleinen Änderungen gebrauchen. Es wider­strebt mir darüber lange Worte zu machen. Walther ist hoffentlich wieder ganz gesund. Ich freue mich sehr, daß die Zeit immer näher rückt, die Dich endlich einmal wieder zu uns führt und man Dich von Angesicht zu Angesicht sehen kann...

Eine Antwort auf den Brief seiner Mutter Therese ist uns nicht er­halten, in einem Brieffragment, das vom Ende Juni des Jahres stam­men muss, lesen wir:

"Im vorigen Monat habe ich mir 8 M von Onkel Hans gepumpt, die ich ihm möglichst bald wiedergeben möchte. Schickt mir doch möglichst bald das Geld für den nächsten Monat. Auf die 8 M mache ich natür­lich nicht extra Anspruch.-

Wir haben jetzt hier einen hypermodernen Roman gelesen, er heißt: "Der Liebesgockel" und schildert Hallische Lokalverhältnisse und bes. das Studentenleben sehr ungeschminkt. Der Verfasser soll ein hiesiger Oberlehrer sein. Ich halte das Buch für sehr gut und sitt­lich ernst, wenn es auch sehr derbe Wahrheiten sagt. Der Großvater sagt, es wäre ganz schlecht und ordinär. Walter Triebel 11 er­klärt es für sehr minderwertig, wahrscheinlich, weil es zuerst im "Volksblatt" abgedruckt war. Der Wirt vom Theaterrestaurant Karlchen Meißner hat den Verfasser wegen Beleidigung verklagt, weil er ihn in dem Buch einen "glattrasierten Spitzbuben" genannt hat."

 

 

Am 19. September schreibt Martin: "Tante Käthe war zu Groß­vaters Geburtstag in Halle. Es soll dem Grossvater nicht be­sonders gehen. Bernhard hat am Geburtstag vor der Verwandt­schaft Theater gespielt."

 

Halle, d. 4.7.04

Liebe Mutter !

Für das Geld danke ich euch vielmals. Nur fürchte ich schon jetzt, ich werde nicht auskommen, da ich Onkel Hans die 8 M schon wieder­gegeben habe. Ich werde es dann euch noch schreiben. Dann ist da die Essensfrage. Tante Clara bleibt hier; ist es euch recht, wenn ich sie frage, ob ich die Zeit über bei ihr essen könnte. Bitte schreibt mir dies doch bald, da der Großvater am Mittwoch verreist ... Hoffentlich geht es euch gut. - Fräulein Stenzel scheint es nicht recht zu sein, daß ich im Herbst fort­gehe . ..

                                                                                                                                             Halle,  d.28.7.04

Hans Knaths hat mit fein auseinandergesetzt, es wäre Unsinn, den Dr. zu machen, nun ich sollte lieber das Staatsexamen machen -und so ! ... Onkel Wolfgang will eine Zeitung machen.

Halle,  d. 3.12.04

... den Großvater habe ich, wie ich wohl schon schrieb, schon be­sucht, die anderen Verwandten noch nicht. Ich habe auch wirklich keine Zeit dazu. Jeder Verwandtenbesuch würde mich doch im Laufe des Winters ein paar Nachmittage oder Abende kosten. Sobald ich ein Examen gemacht habe, werde ich das Versäumte gern nachholen. Jetzt habe ich wirklich keine Zeit zu zwecklosen Besuchen ...

Halle, d. 14.12.04

Hoffentlich verlebt ihr das Fest recht froh. Was ich von mir nicht sagen kann, da ich sowohl auf dem Martinsberg wie bei Knathsens eingeladen bin. Das erste wäre gar nicht so schlimm, da sie immer sehr liebenswürdig zu mir sind. Das zweite ist mir fast zum Ekel. Aber ich werde schon gehen müssen.

 

 

Undatierter Brief (Halle, Jan.1905) Lieber Vater !

.... Daß wir bei dem Hochwasser nicht in Greifswald sein konnten, tut uns sehr leid. Hier in Halle war es sehr langweilig, resp. gräßlich und zum Lachen und ich habe mich kaum von den verschiede­nen Verwandtenassemblees u.s.w. wieder erholt. Hoffentlich geht es euch allen gut. Für die Neujahrskarte danke ich dem Enno 12 vielmals und will ihm hiermit zugleich zu seinem Geburtstag gra­tuliert haben. - Was der Gottfried macht, weiß ich nicht, da ich ihn nur selten sehe. Mit anderen Menschen komme ich auch nicht mehr zusammen. Mir ist allmählich alles schnuppe geworden. Hoffent­lich seid ihr alle gesund und frohen Mutes und habt satt zu essen und nicht zuviel zu danken. Hier ist die Influenza noch immer. Onkel Siegfried 13 ist scheußlich krank. Bei Onkel Hans und Onkel Paul geht es reihum. Sogar Karlchen, das Wunschkind, bleibt nicht verschont. Bei Knathsens stöhnt man über die Schwere des Daseins und wälzt sich auf dem Lotterbett.- Walter Triebel hat sich in Breslau eine Bude für 50 M gemietet, die notwendige Folge solcher und ähnlicher Beobachtungen, ist, daß man anfängt sich zum Prole­tariat zu rechnen und Sozialdemokrat zu werden. - -Ich habe jetzt herausbekommen daß

"Wahrheit" die "Erkenntnis des Gegenstandes" und "Wirklichkeit" der" Gegenstand der Erkenntnis" ist. Damit ist das Verhältnis von Wahrheit und Wirklichkeit durch die Beziehung beider Begriffe auf die mögliche Erfahrung bestimmt und somit das grundproblem meiner Arbeit gelöst. Hoffentlich dauert die endgültige Darstellung nun nicht mehr zu lange.

Herzliche Grüße  Martin

 

                                                                           Enno Herzfeld um 1914

 

 

 

In einem nicht datierten Brief an seine Mutter geht Martin u.a. auch auf seine Arbeit ein:

"Gestern war ich glücklich bei Marias Tanzkränzchen, ich bin aber mit zerrissenen Hosen und schmutzigen Stiefeln hingegangen, so daß ich nicht zu tanzen brauchte. Erl. Stenzel hat mir eine Flasche Schnaps gegeben, welche ich allmählich lehre.

Gestern Abend traf ich den alten Uphues, wie er durch den Dreck patschte.- Der kostenlose Druck der Arbeit ist natürlich so zu verstehen, daß der Alte mir einen Verlag verschaffen will, der die Sache umsonst druckt. Er selbst wird sich doch hüten, sie zu be­zahlen .. . Meine Arbeit ist folgendermaßen :

Metaphysik und Logik (Erkenntnistheorie)

a) Begriff der Metaphysik.

b) Das Ideal der Wahrheit.

c) Metaphysik und Wissenschaft (Fragestellung)

d) Kennzeichnung der Sachlage

a) Psychologismus (Locke, Natorp, Cohen, Heim), ß) Antipsychologismus

der logische Formalismus (Aristoteles, Kant,

Husserl).

Logik ( Palagyi, Riehl, Uphues).

                                                                                                                                                                __ ____ .  - ___  ——  - ———  -    -         _

 

7007609

Logik und  Metaphysik

in  ihrem Verhältnis  zur Theorie

der Erfahrung.

zur

Erlangung der Philosophischen Doktorwürde

vorgelegt

der hohen  Philosophischen  Fakultät

der

Vereinigten  Friedrichs-Universität Halle-Wittenberg

von

Martin Herzfeld

i/'

aus Ilaigerloch in Hohenzollern.

Halle a. S.

BUCHDRUCKEREI S. SCHLESINGER.

 

 

Undatierter Brief (Halle, April 05)

Nun fängt die eigentliche Arbeit an, nämlich die Frage nach dem Realitätscharakter der Erkenntnis, die heute noch nicht behandelt

•i o f-  H

 

Liebe Mutter i

Ich schreibe immer noch an meiner verzweifelten Arbeit ab, was so lange dauert, weil ich immer wieder ändere und so. Auch habe ich nebenbei manches andere zu tun. Doch denke ich Ende dieser Woche mit der Schreiberei fertig zu sein, worauf ich sie hoffentlich bald einreichen kann. -

Hier ist alles wie sonst. Der Gottfried auf dem Kostümfest bei Albert Herzfeld. Ich nicht. Neulich war große Verlobungsfeier für Trude Triebel, wo ich auch hingegangen war. Es war ganz nett. Hier waren jetzt ein paar wunderschöne Tage, richtiges Maiwetter. Hof­fentlich geht es Dir gut. Neulich war ich im Theater. Es wurde der Postillon von Lonjumons und ein blödsinniges Lustspiel gegeben. Der Großvater ist neulich nach Berlin gefahren, um den Knaben Alexander 14 zu seiner Reise nach Amerika einzusegnen. Das Kind will Jura studieren.-   ...

Halle, den 15.4.05

"Hier in Halle ist alles wie sonst. Die Verwandtschaft regt sich in der üblichen Art über den Gottfried auf. Sie hätte es allerdings lieber tun sollen, als er noch hier war... Der Lisbeth wünsche ich zur Konfirmation viel Glück, da dies einmal so Sitte ist, und weil Deskartes sagt, man solle sich in solchen Dingen der Landes­sitte fügen, um keinen Anstoß zu erregen. Hier in Halle wird der Knabe Paul Fritz konfirmiert.15  Die Konfirmation scheint hier als eine  Gelegenheit, Geschenke zu erhalten, betrachtet zu werden. Dem Großvater geht es leidlich gut. Ich glaube, er will nach Karls­bad reisen, d.h. erst nach Ostern."

 

                                                                                               Poststempel: Halle, 4.6.05

Lieber Vater !

Für euren Brief und die Karte danke ich euch vielmals. Meinen Brief schicke ich sogleich ab, wenn ich eine 10 & Marke habe. Weiß der Ludwig immer noch nicht, daß er operiert ist ? Hoffent­lich geht es ihm nun auch bald besser. Dem Großvater geht es, seit dem er aus Karlsbad zurück ist, eigentlich nicht besonders. Wer auf den Martinsberg an Frl. Stenzels Stelle kommt, weiß ich noch nicht bestimmt. Doch ist, glaube ich, schon jemand engagiert. - Von Onkel Albert habe ich mir 50 M (fünfzig Mark) geholt, wie die Mutter in dem Briefe geschrieben hatte. Vielleicht bist so gut, mir das andere Geld zu schicken .-

Hier ist es schrecklich heiß, indess gehe ich öfter in die Militär­schwimmanstalt, was nur 10 & kostet. - Der Bräutigam von Trude Triebel ist wieder hier. - Onkel Albert hat (zu seinen Töchtern im höchsten Vertrauen - von da ist es über Lotte u. Tante Kl. Knaths zu mir gekommen) gesagt, er wolle dem Ludwig aus dem Tante Ida Oberwarthschen Legate  161000 M geben, damit er sich davon gründ­lich auskurieren könne.

Viele Grüße

Dein  tr. Sohn Martin

Undatierter Brief (Halle, Juni 1905)

Liebe Mutter

Für die Karten, das Geld u.s.w. danke ich Dir und dem Vater viel­mals. Den Brief habe ich nicht mehr finden können, sonsten hätte ich ihn schon geschickt. Hoffentlich geht es dem Ludwig besser, nach dem er den Militärschweinen entzogen ist. Bezahlen diese Hunde wenigstens die Behandlung ? Ich hoffe sehr, daß ich nicht Frohndienst zu tun brauche. Hier ist es sehr heiß. Neulich war der heißeste Tag seit 100 Jahren. Dem Großvater geht es ziemlich betrüblich, da er kein Essen verträgt und viel schläft. Siegfried Beisert hat einen neuen Knaben 17 bekommen. Gestern war bei Tante Klara eine große Assemblee; es war gräßlich und zum Lachen. Ich gar nicht sagen, wie ich diese und alle ganz ähnlichen Men­schen hasse, sobald ich gezwungen bin, länger als l Stunde mit ihnen zusammen zu sein, mich zu unterhalten, Kaffee zu trinken u.s.w. Ich denke auch nicht daran, mich jemals für solche aufge­drungenen Wohltaten dankbar zu zeigen. Lieber will ich Treber fres­sen und unrasiert und in Lumpen gehen. Hier schleicht die Zeit, obwohl man sie vorwärts peitschen möchte. Hoffentlich geht es euch allen recht gut. Mir geht es immer noch schlecht, doch denke ich, daß nun das Maß des Unglücks bald voll sein und es uns allen wie­der besser gehen wird.

Herzliche Grüße an alle                Dein  tr. Sohn Martin

Poststempel: Halle, 1.7.05

"Hier ist es entsetzlich heiß, aber ich fühle mich jetzt sehr wohl, zu arbeiten ist viel. Dem Großvater geht es leidlich, daß es dem Ludwig besser geht, freut mich sehr. Die Großtante Alwine aus Florenz 19  war hier."

In den darauf folgenden Monaten hielt sich Martin in Sand bei Kassel für einige Zeit auf, dann war er mit Prüfüngsvorbereitungen beschäftigt, so daß er erst ein Jahr später wieder über Begeben­heiten in Halle berichtet. Ehe wir auf das auch an anderer Stelle bezeugte Ereignis in Halle zu sprechen kommen, soll ein Brief des Frl. Stenzel vorangestellt werden.

 

E. S.                                                                                                                     Petersdorf, d.26.11.05

Hochgeehrter, geliebter Justizrathel !

Nun habe ich mich heute schon den ganzen Tag darauf gefreut mit Dir zu plaudern und doch ist der Abend schon gekommen ehe es da­zu w-ird. Der briefliche Verkehr mit Dir ist überhaupt hier meine einzige Erholung und ich kann Dir nur immer wieder danken für alle Freundlichkeiten und Liebe, die Du mir entgegen bringst und mir so wohltuend sind. Aber des Menschen ungetrübte Freude, ward keinem Sterblichen zu theil und so glaube ich auch, gewinne ich durch diese Deine Güte manche Feinde in Halle, ich fürchte sogar Deine Kinder sehen unsere Freundschaft nicht gern, sie denken vielleicht, ich will Dich, so zu sagen ausnutzen. Aber ich denke, da darf sich vor mir niemand fürchten, da bin ich doch nicht die geeignete Persönlichkeit dazu. Frl. Schaab scheine ich mir auch zur Feindin gemacht zu haben, was mir sehr leid wäre. Justirathel, un­sere Gedanken begegnen sich darin, was Du wohl sagen würdest, wenn ich wieder nach Halle käme ? aber es ist wohl Unsinn, erst so etwas auszusprechen, wäre ich nur lieber nicht erst fortgegangen; ich ahnte es, was diese Trennung für mich auf sich hat, aber leider dachte ich, ich darf nicht anders handeln, aber ich glaube Du hast nicht gedacht, daß Dir so bange nach mir sein würde, sonst hättest Du mir damals wohl mehr zugeredet zu bleiben. -

Ach Du weißt gar nicht, wie traurig und unglücklich ich immer wie­der bin; das Lachen verlerne ich hier ganz.- Heut hast Du auch wieder einen recht ernsten Tag gehabt, oder wohl mehr schon gestern als Du Deine lieben Grüber besuchtest, ich habe Dich im Geist hin­begleitet und nun kommt ja auch bald der Geburtstag von Frau Justiz-rath nicht wahr d. 6. Dez. ? am 4. hat ihn ja Bärbchen, wenn ich es nicht vergesse werde ich eine Karte für sie mitbringen aus Breslau. Also Dienst, früh um 8 Uhr fahre ich hier fort wieder mal nach Breslau wo ich mich mit Martha treffen will um noch verschiedenes zur Jagd und Weihnachtsbescherung zu kaufen. Martha kommt Abends dann mit zu uns urn mir bei der Jagd beizustehn. Ach Justirathel wird da eine furchtbare Wirtschaft gemacht und alles ist doch so unbequem und muß erst alles aus Breslau verschrieben werden.

H.B. war schon ganz aufgeregt, daß er seine Fenti nicht dazu zur Seite hatte, überhaupt fehlt sie ihm an allen Ecken, ach es ist schrecklich. 16 Herren sind zur Jagd. Waldhasen sind die hiesigen eigentlich auch nicht, wir haben nur kleine Büsche, gar keinen ordentlichen Wald, willst Du aber einen haben, dann schreibe es mir am Donnerstag mit; ich würde Dir einen selbst gefütterten Fa­sanen schicken, aber die liebst Du ja nicht.- Wie lange Martha da­bleibt weiß ich noch nicht. Wenn die Jagd wird überstanden sein kommt die große Einbescherung und dazwischen rüsten wir uns schon zum Umzug nach Breslau und dann diese Angst, daß ich dann dort wieder nicht weiß in welcher Weise das Fest gefeiert wird, es ist schrecklich, alles soll sein wie es gewesen ist und fragen soll ich H. Baron auch nicht, er ist so aufgeregt und ich ihm glaube ich in allem zu langsam. So leb wohl für heut! Wenn ich wieder an Dich schreibe ist ein Tropfen vom Leidensbecher getrunken. Tausend herzlichste Grüße und Guschla sendet

Dir Deine setreue Isa

Bleibt Grete F. bei Tante Agnes vorläufig ? Es tut mir furchtbar leid, daß Du wieder mal krank warst.

Halle, d. 1. Juni 06

... Hier war neulich grosse Aufregung, weil der Großvater nach Breslau zu Frl. Stenzel fahren wollte. Am 1. Tage stahl ihm On­kel Wolfgang sein Geld und seine Brieftasche, am 2. Tage nahm ihm Tante Mietze, welche angereist kam, die Hosen weg, sodass er nicht fahren konnte. Jetzt hat er sich darein ergeben und mag Frl. Sten­zel nicht mehr leiden, weil man ihm erzählt hat, Frl. Stenzel wäre tuberkulös und unterleibsleidend. Onkel Robert 20 kam auch angereist. Er beklagt sich, dass ihn niemals jemand besuche..."

Auch Bärbel Liefler  berichtet: Als der Großvater schon sehr alt war, wollte er sich noch mit seiner Haushälterin verheiraten, aber als er zum Standesamt gehen wollte, da ihm seine älteren Söhne die Hosen versteckt,..., er hat ...davon Abstand genommen, irgendwie.“

 

 

 

 

 

Aus einem weiteren Brief Martins ist zu entnehmen, dass der Großvater Ludwig eine Italienreise plane.

"Bei den Verwandten war ich noch nicht; werde auch wohl schwer­lich sobald hinkommen. Tante Grete 21 ist jetzt hier zu Besuch. Sie hat ihren kleinsten Knaben 22 mit. Ich glaube, sie hat sich etwas mit ihrem Mann gezankt, welcher wohl von jeher kein Tugend­engel war... Der Sohn von Onkel Albert, welcher Heinrich 23 heisst, hat den Schuldienst quittiert, ohne einen Zivilversorgungs­schein zu erhalten und hat sich unter das Volk gemengt, d.h. er arbeitet bei Wegelin u. Hübner praktisch u. ist der Ansicht, dass dies alle grossen Männer tun. Auch der Knabe Wolfgang, Sohn von Onkel Hanns, hat die gleiche Laufbahn ergriffen.24 Dies sind die bedeutensten Ereignisse der Letzzeit."

 

 

 

Halle, den 28.5.06.

 

Lieber Ludwig,

 

habe vielen Dank für Deinen lieben langen Brief, den mir die Mutter am Sonnabend geschickt hat, Du schreibst aber gar nicht, wie es Dir geht? Hat das Baden geholfen? Hier erkundigen sich immer mehr alle fortwährend nach Dir, und ich weiß immer nichts zu sagen! Bei Großvater war ich 2x 1x mit Tante Klara 1x mit Martin. Hier erzählen alle wieder Martin wäre verlobt und verschiedene behaupten ihn mit einer jungen Dame früheren ... spazieren gehen gesehen zu haben. Der Großvater hatte gerade gebadet u. lag im Bett, er sagte er wäre sehr schwach. Dachte aber ab alles, an die 10 M die er mir nicht zum Geburtstag geschickt hat u. an Marias u. Gottfrieds Geburtstag. Das zweite Mal war er im Garten und ging bald rein, setzte sich hin, las u. sah uns nicht mehr. Er hat jetzt ein anderes Fräulein, Frl Schaab ist weggeschickt, nun ist Frl Helmboldt da, die ganz nett zu sein scheint. Onkel Paul und Onkel Albert traf ich nicht zu Hause. Onkel Alberts Haus draußen in Wittekind ist bald fertig, da war gerade alles zu Hausbesichtigung. Am 1.Tag war Triebelscher Familienspazier- gang nach Kröllnitz auf die Bergschenke. Als wir abends wieder zu Hause waren, fand ich, daß meine Uhr weg war. Große Bestürzung. Lotte u. ich fahren abend ¾ 10 nochmal in der Elektrischen auf die Bergschenke, suchen den ganzen Platz ab, wo wir gesessen hatten, nichts. Sagens den Kellnern, fahren den nächsten Morgen ½ 8noch mal hin, es war Himmelfahrtstag und suchen den ganzen Weg ab, wo wir am Tag vorher zurück gegangen waren, fahren im Kahn über die Saale, und finden die Uhr nicht. Nächsten Morgen: Fundbureau, nichts, dann setzen wir in d. Generalanzeiger: Goldene Damenuhr verloren u.s.w.

 

Der Onkel Albert erzählte folgende Geschichte: Ich bekam vom Alexander einen Brief, worin er mir mitteilt, das er vom Großvater einen Brief bekam, in dem Alexander jun. Adresse in Genf verlangt wird. Großv. wollte nach Genf. Onk. Albert: Ich laufe zum Martinsberg d. Großv. muß nun gestehen, dass er Dienstag hatte nach Frankfurt, Basel, Genf, Nizza reisen wollen, über Metz zurück. 2000 M Reisegeld hatte er schon geholt. Nun sollte Tante Lise H. mit, Onk. Wolfgang will nicht, doch d. Großv. Sagt, mit Frl. Helmboldt allein könnte er nicht, die wüsste nicht wo Frankreich anfing u. Deutschland aufhörte. Lise muß mit, Tant. Lise will nur mit, wenn zu Ablösung noch eine ihrer Nichten mitkommt. Annemarie oder Dore, sagt d. Großv. Nein, sagt Onkel Albert, die haben mit Haus einrichten zu tun, schlug mich vor. Ist noch zu jung, sagt Großv. Annemarie o. dore. Nach langem Sträuben soll nun Dore am Donnerstag d. 14. mit Tante Lise u. Frl. Helmbolt zusammen den Großvater begleiten. D. Großvater hat am Samstag eine Reise in d. Seydlitzstr. gemacht um Tante Lise zum Geburtstag zu gratulieren, darauf war er gestern so schwach, dass er 3x aufstand und sich 3x wieder ins Bett legte. Tante Lise und Dore haben ausgemacht, dass die Reise nicht länger als 14 Tage dauert und wollen ihn mit List u. Gewalt von Frankfurt gleich nach Metz zu bringen suchen, wo ihn Onk. Robert schon nicht weiterlassen wird, meinen alle – dann kam Bernhard Schultze u. es ging zu Essen. Bouillonsuppe, Kalbsbraten mit Stachelbeeren u. eingemachten Mirabellen, Spargel mit Ei. Erdbeertörtchen u. frische Erdbeeren mit Schlagsahne. Bernhard Schultze, der übrigens gar nicht mehr stottert ist jetzt hier auf den Franckschen Stiftungen in Pension. Sonntag soll er auf den Martinsberg oder so essen. Gestern aß er auch eine ganze Menge ließ sich immer wieder was auftischen und so und nachher beim Kaffee stellte es sich heraus, dass er schon auf den Franckschen Stiftungen zu Mittag gegessen hatte. Ihr Sonntagsessen war gewesen: Ein Stück Bratwurst, Salat, Kartoffeln. – Zum Kaffee kam Lotte Knaths auch noch. Die anderen gingen auf den Martinsberg. Wir Anne, Dore, Lotte und ich blieben da und beide zeigten uns viele Bilder aus Wien, Florenz, Venedig u.s.w. Annem. scheint einen Heiratsantrag von einem Wiener Hauptmann namens Petz gehabt zu haben, Onk. Albert wollte aber nicht. – Ludwig sitz jetzt in Ober-Sekunda, dass Heinrich bei Wegelin u. Hübner arbeitet wisst Ihr wohl.- Der Großv. war gestern wie die hinkamen aufgestanden u. machte alles mit ihnen aus, wie ich’s geschrieben habe. Sie wollten ihn überreden nur in die Sächsische Schweiz zu gehen, das wollte er aber nicht.

Sie lassen Euch alle grüßen. Bitte grüße alle dort von mir, d. Maria lasse ich gute Besserung wünschen, will sie nicht i. d. großen Ferien nach Felsberg? Es grüßt Dich herzlichst Deine treue Elisabeth

 

 

              Elisabeth Herzfeld

 

 

Halle, d. 6.9.

Lieber Vater !

 

Hier ist es, nachdem es gestern sehr kühl war, heut wieder sehr heiss geworden.

Frl. Helmboldt hat mir die Geschichte der grossen Reise ausführ­lich erzählt, die sie mit dem Großvater gemacht hat. Sie verlief folgendermassen.

Auf der Strecke von Halle bis Frankfurt schlief der Grossvater meistens, während Tante Lise und Frl. Helmb. standen. Kurz vor Frankfurt wurde dem Grossvater schlecht, weshalb der Rettungsap­parat, den Frl. H. in einer bes. Reisetasche mitführte in Tätig­keit gesetzt wurde, der dann auch tadellos funktionierte. In Frankfurt angekommen konnte der Großvater nicht mehr sprechen und gehen, weshalb er mit einem Fahrstuhl nach dem Hotel über die Straße hinüber gefahren wurde. Im Hotel angekommen, konnte er plötzlich wieder sprechen und bestellte sich Tomatensuppe und Rheinsalm. Darauf wurde er mit dem Fahrstuhl nach seinem Zimmer heraufgefahren und übergab sich unterwegs über den Liftboy und über Frl. Helmboldt.

Am nächsten Tage fuhr man ohne Zwischenfall bis Metz. Tante Hertha25 hatte bloß einen ganz kleinen Wagen mit zur Bahn gebracht, da man es für unmöglich gehalten hatte, dass der Großvater wirklich zu der schon 5 Tage vorher bestimmten Zeit ankäme. Der Grossvater u. Frl. H. fuhren nun mit dem Wagen nach Pignemont. Die anderen wollten noch Einkäufe in der Stadt machen. In Pignemont war der Grossvater so schwach, dass er nicht aus dem Wagen konnte. Der französische Kutscher, der ihn fuhr, wusste das nicht und sagte deshalb beständig: Papa, komm doch raus !, worüber der Grossvater sehr böse wurde. Nach 5 Tagen fuhr man weiter nach Bern. Von Bern, da der Grossvater nirgendwo bleiben wollte nach Como. In Como stand Frl. Helmboldt früh morgens nicht auf, damit man einen Tag länger bleiben könnte, weshalb sie der Grossvater, nach­dem er sich heimlich gewaschen und angezogen mit dem Stock aus *  Tiemont dem Bett zu jagen versuchte.

In Lugano war es so schön, dass der Großvater selbst etwas län­ger bleiben wollte. Als am Nachmittag Tante Lise und Onkel Wolfgang 45 ) ausgegangen waren, Zwang der Grossvater Frl. Helmboldt ebenfalls mit ihm auszugehen, weil er sich einen Uhrschlüs­sel kaufen wollte. Er behauptete, er wüsste genau Bescheid in der Stadt, nachher waren sie  glücklich zwei Stunden umhergelaufen und hatten sich vollständig

verlaufen, ohne einen Uhrladen gefun­den zu haben. Da der Grossvater nicht mehr sprechen konnte, fragte Frl. H. verschiedene Leute auf sächsisch nach dem Hotel Viktoria, aber niemand verstand sie. Endlich kamen zwei kleine Mädchen, welche sie verstanden und an eine ca. 150 Stufen hohe Treppe führ­ten, welche sie hinuntergehen sollten. Endlich gelang es Frl. H. einen Mann zu requirieren, mit dem sie den Gr. hinunterschaffte. Unten war der Grossvater so erschöpft, dass er sich auf eine alte Mauer setzte, worauf er nach einiger Zeit sehr vergnügt lachte. Dies sah eine Frau und schickte ihr Töchterchen mit einem Stuhl hin, auf den sich der Großvater setzte. Auf der anderen Seite der Straße stand eine Verkaufsbude, vor welcher verschiedene junge Herren mit der Verkäuferin, einer jungen, hübschen Italienerin schäckerten. Der Grossvater fragte Frl. H., was denn das los wäre. Frl. H. sagte es ihm. Darauf sagte der Gr: Da wollen wir doch auch mal hingehen! Er hätte es wahrscheinlich auch getan, wenn nicht auf einmal O. Wolfgang26 u. T. Lise27 angestürzt wären, welche die beiden schon stundenlang vermisst u. gesucht hatten u. sie jetzt ins Hotel zurückbugsierten. Am nächsten Tag fuhr Onkel W. nach Basel, die anderen nach Lucern.

Wenn es euch interessiert will ich euch das nächste mal den wei­teren Verlauf der Reise schildern. Von Metz bis Lucern war dem Grossvater kein einziges Mal schlecht geworden, obwohl er während der Fahrt  beständig am Fenster gestanden u. die Gegend betrachtet u. den anderen erklärt hatte u. obwohl er immer höchstens 8 Stun­den geschlafen hatte. Hoffentlich geht es euch gut

Viele Grüsse Martin

Zwei Tage nach Martins Bericht über die Reise des Großvaters Ludwig, am 8. September 1906, begab sich der Hauptmannauditor Franz Petz, der - wie wir von Elisabeth hörten - Annemarie Herzfeld einen Heiratsantrag gemacht hatte und dabei auf wenig Entgegenkommen bei Albert Herzfeld gestoßen war, nach Halle, um dort sein Anliegen persönlich vorzubringen. Er selbst berichtet, wie er Annemarie kennen lernte :

 

 

Halle, d. 6.9. 06

"Als der Frühling auch in Wien gekommen war, ließ Falk 28 Andeutungen fallen, daß eine Nichte von ihm aus Halle a.d. Saale, die sich gerade damals in Florenz aufhielt, auf der Rückreise in die Heimat einige Tage sich in Wien aufhalten und bei ihm wohnen werde. Meine Neugier war dadurch erregt.

Eines Tages nun im wunderschönen Mai kam diese Nichte, sie hieß Dorothea Herz-feld  29 , genannt Dore. Ich hatte mit Falk eines Nachmittags eine Zusammenkunft, und er erschien dazu mit eben dieser Nichte. Wir drei gingen auf die hohe Warte in die Roth­schildgärten, dann auf einen "Heurigen" nach Salmannsdorf. Auf dem Wege dahin erklärte ich ihr, die sich ziemlich einsilbig zeigte und aus sich nicht herausgehen wollte, die Umgegend, da­runter auch das Schloß Bellevue, das ich "Bellwuh" aussprach. Ich hätte das nicht tun sollen, denn, als ich schon bekannter mit ihr war, verriet sie mir, daß sie mich ob dieser falschen Aussprache, von der sie nicht annahm, daß sie mit Überlegung ge­macht sei, sehr verachtete, weil ich so ungebildet sei.

Nach dem "Heurigen" gingen wir ins Theater, und zwar in eine Laube, die Falk gemietet hatte, wo sich auch seine Frau einge­funden hatte; es wurde die "Lustige Witwe" gegeben. Während der Vorstellung spähte das Ehepaar und Dore in den Zuschauerraum und riefen aus: "Da sitzen sie!" Nähere Aufklärung unterließen sie, und da ich so erzogen war und aus meinem Verkehr mit kaiserlichen und königlichen Hoheiten und es auch so gewohnt war, nämlich daß man mit so hohen Herren oder hohen Vorgesetzten (ich war damals Hauptmann, Falk aber schon General) nicht vertraut tun, und, wenn man durch besondere Umstände nicht gezwungen ist, keine Fragen stellen dürfe, sondern nur ihre Fragen zu beantworten habe, und außerdem nur das reden dürfe, was sich aus der gegenseitigen Unterhaltung notwendigerwei­se ergibt, und da ferner auch Dore Herzfeld nicht gewillt schien, das Geheimnis zu lüften, so habe ich, wenn ich auch gerne gewußt hätte, wer denn im Zuschauerraum das besondere Interesse meiner Nachbarn erregt habe, dennoch jede Frage unterlassen und angenom­men, daß meine Neugier im weiteren Verlaufe nicht ungestillt blei­ben werde. See wurde auch befriedigt, als wir nach dem Theater im nahen Gasthause das Nachtmahl einnahmen; da kam im Laufe der Un­terhaltung hervor, daß Dore nicht allein.Italien gekommen war, sondern mit ihrer älteren Schwester Annemarie, die aber bei einer Pensionsfreundin wohne, und eben mit

dieser und deren Eltern auch in der "Lustigen Witwe" gewesen war. Italien gekommen war, sondern mit ihrer älteren Schwester Annemarie, die aber bei einer Pensionsfreundin wohne, und eben mit dieser und deren Eltern auch in der "Lustigen Witwe" gewesen war.

Allerdings hatte ich be­obachtet, daß beim Portgehen aus dem Theater die Falks und Dore noch mit anderen Besuchern sprachen, die ich aber, da ich mich im Hintergrund hielt, nicht recht betrachtet hatte, und das waren die, auf die im Theater gewiesen wurde.

Damals also habe ich von Annemarie Herzfeld das erstemal gehört!

Es wurde eine Fahrt in den Prater für einen der nächsten Tage ver­einbart. Am bestimmten Tage sollte ich die Falks und Dore aus ihrer Wohnung abholen; gekleidet in mein allzufeines Zivil - da­für hatten wir Soldaten ja wenig Verständnis - ging ich mit meinem; schönen Kaiserbart zu Falks.

Beim Betreten der Wohnung empfing mich ein unterdrücktes Kichern. Am Tische saßen Dore, die Falkmadeln 30 und noch zwei Damen, nämlich Annemarie H. und ihre lange und dünne Freundin Olga von Vaghy. Ich begrüßte Dore und wurde den anderen vorgestellt, und Annemarie gab mir mit einem so einnehmenden Lächeln die Hand und hatte eine so ansprechende Erscheinung, daß ich mich sofort zu ihr hingezogen fühlte. Ich dachte mir, wenn eine dich so lieb an­lächelt, so muß sie doch gefallen an Dir gefunden haben; ich war für die mir vermeintlich dargebrachte Huldigung sofort empfäng­lich und beschloß, meinen Gefühlen ihr gegenüber keinen Zwang auf­zuerlegen und der Sache den von der Natur vorgeschriebenen Lauf

zu lassen.

Es war ein entscheidender Augenblick!

Die Praterfahrt verlief sehr angeregt, waren doch die jungen Auditoren und guten Bekannten Falks dazu aufgeboten worden. Es folgten dann noch mehrere Ausflüge in den Prater und die nähere Umgebung von Wien, so auf den Kahlenberg, auf das Hameau, die Sophienalpe, nach Hüttendorf usw.

Am 1. Juni, glaube ich, fuhr das Schwesternpaar ihrer fernen Heimat zu. Eine kleine Enttäuschung war es für mich, daß, wie mir Annemarie vor ihrer Abfahrt gestand, ihr liebliches Lächeln bei unseren Zusammentreffen nicht ihrer aufkeimenden Zuneigung entsprang, sondern ihrer Spottsucht; bei meinem Eintreten in das Zimmer nämlich flüsterte ihr Olga von Vaghy mit Beziehung auf meine Haartracht zu: "Da kommt der mit der Bürste!" Dann lachten beide spöttisch.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Albert Herzfeld

und Familie

 

 

 

  Ludwig       Dora      Anna geb.Poppe  Albert   Annemarie    Heinrich

 

 

 

 

Diese Erkenntnis tat aber meiner Neigung zu Annemarie weiter kei­nen Abbruch; sie blieb den anderen im Anfange zwar verborgen, aber schließlich kam sie doch heraus, aber das entscheidende Wort habe ich damals mit ihr noch nicht gesprochen, auch nicht, als ich mit den Schwestern zuletzt beisammen war, nämlich am Tage vor ihrer Abreise bei Falks.

Ich besuchte gleich hinterher Frau Falk, schüttete ihr mein Herz aus und fragte sie, ob ich es wagen sollte, ihr, Annemarie, zu schreiben und anzufragen, ob eine weitere Annäherung meinerseits nicht unerwünscht sei. Ich erhielt eine ermunternde Antwort und die Folge war, daß ich seitdem mit A..31 in schriftlicher Verbindung blieb.

Wir einigten uns, daß ich gelegentlich meines Urlaubes, den ich im September nehmen wollte, nach Halle a. d. Saale kommen solle.

Anfang September trat ich also den Urlaub an, hielt mich einige Tage bei der Mutter und Schwester in Konstantinsbad auf, und be­gann am 8. September meine Minnefahrt.

Abends langte ich in Halle an; den Tag meiner Ankunft hatte ich wohlweislich verschwiegen, denn ich wollte mich erst zeigen, bis ich entsprechend hergerichtet mich sehen lassen konnte. Ich wollte also im Hotel Hamburg (den Namen hatte ich auf der Fahrt erfah­ren) übernachten und am nächsten Tag meine Aufwartung machen.

Ich war baß erstaunt, aber auch freudig überrascht und geschmeichelt, als bei meiner Ankunft ich Annemarie und Dore am Bahnhofe sah; ihre Anwesenheit legte ich zu meinen Gunsten aus. Zwar konnte ich nicht annehmen, daß sie, die den genauen Zeitpunkt meiner Ankunft nicht wußten, und von denen ich auch nicht voraussetzten konnte, daß sie zu jedem Zuge auf die Bahn kämen; die Schwestern mußten also auf irgendeine sinnreiche Art herausbekommen haben, wann ich ankam.

Ich eilte freudig auf sie zu, merkte aber, daß Annemarie, mit der ich mich hauptsächlich beschäftigte, etwas befangen und verlegen war. Diese Verlegenheit war allerdings begründet, denn ich er­fuhr nach und nach, daß die Schwestern, die mit ihren Eltern und Brüdern auf den Bahnhof gekommen waren, nicht meinetwegen gekom­men waren, sondern um ihren Onkel und Tante abzuholen, die mit dem gleichen Zuge aus Metz gekommen waren. Da von den Anverwandten noch niemand merken sollte, zu welchem Zwecke ich gekommen war, war das Zusammentreffen mit mir ziemlich unerwünscht und hatte ihre Verlegenheit ausgelöst.

Ich fuhr dann mit den Schwestern und ihren Brüdern in die Stadt und stieg im Hotel ab, nachdem ich versprochen hatte, zu ihnen in die Villa zu kommen.

Ich kam und wurde den anwesenden Verwandten als Hauptmann Milde, ein Verwandter von Falks, vorgestellt. Es war ein heiterer, genuß­reicher Abend, es war damals noch so warm, daß wir die ganze Zeit bis Mitternacht im Garten zubringen konnten.

Am nächsten Vormittage machte ich meinen förmlichen Besuch, der aber ganz programmwidrig verlief. Meine Absicht war gewesen, mei­ne Werbung um Annemarie, mit der ich mich schon geeinigt hatte, erst am letzten Tage meines etwa l0tägigen Aufenthaltes anzubrin­gen; die Ereignisse aber überstürzten sich. Nach kurzem Dortsein bat mich der Vater in sein Arbeitszimmer und sagte zu mir unver­mittelt: "Weswegen sind Sie eigentlich hierher gekommen?" Ich murmelte etwas in meiner Verlegenheit, da fuhr er fort: "Wenn Sie etwa glauben, daß Annemarie wer weiß was mitbekommt, so irren Sie sich, sie bekommt nur die Kaution!"

Ich murmelte weiter, da ließ er sich vernehmen: "Also wollen wir uns Du sagen !" und drückte mir die Hand, rief Annemarie und ging fort.

Als Verlobte kamen wir wieder aus dem Zimmer, und die Mutter zog ein schiefes Gesicht, was ihre besondere Zufriedenheit aus­drücken sollte. Von da an wohnte ich nicht mehr im Hotel, son­dern zog zu den Schwiegereltern, und fuhr nach Ablauf des Urlaubes wieder nach Wien. Die Hochzeit sollte im Frühjahr stattfinden, da ich aber im Dezember erkrankte und erst nach längerer Zeit wieder genas, aber noch lange zur Erholung brauchte, mußte sie verschoben werden.

Im April kam ich einige Wochen nach Halle, wo ich die meisten der überaus zahlreichen Anverwandten meiner Braut kennen lernte.

Im Juli dieses Jahres (1907) kamen Annemarie und ihre Mutter nach Wien, um Vorbereitungen für die Hochzeit zu treffen, die am 16. Oktober stattfand. Es war eine große Hochzeit." 31

 

Aber nicht nur die bevorstehende Hochzeit von Annemarie Herz­feld und Franz Petz am 16. Oktober 1907 hatte künstlerische Energien freigesetzt, zuvor sollte die Trauung zwischen Clementine Herzfeld, Tochter des Alexander, und Albert Härtens im Hause Gillstr. 12 in Berlin-Grunewald festlich begangen werden. Die Hallenser Vettern und Basen werkelten in ihrer Theater-Werkstatt.

                                                                                                          Halle a.S. d.22.VIII.07

 

 

Lieber Vetter Ludwig ! (Luis)

Da wir fürchten, daß Du möglicherweise am Montag nicht kommst, möchte ich Dich bitten, nächstens einmal vorzusprechen, da wir verschiedene sehr wichtige u. interessante Aufträge für Dich haben. Hoffentlich wirst Du Dich dessen würdig zeigen. Heute haben wir eine sehr reizvolle Ruderpartie (für l M) unter­nommen. Margrit mußte doch etwas geboten werden. Auf dem Martinsberg sind alle Birnen gestohlen, wir haben nur noch _2 l ! vorgefunden. Viele Grüße von Anne-Marie  Dore Albert Heinrich Margrit Poppe, Anna Ludwig

                                                                                                             Halle a.S.d.24.VIII. 07

 Lieber Vetter Ludwig !

Mutter läßt Dich durch mich auffordern morgen Sonntag, d. 25.VIII, zu uns zum Mittagessen zu kommen. Falls Du nicht schon einen an­deren Teil der Familie die Ehre Deiner Gegenwart schenkst, finde Dich also bei uns gegen l Uhr ein; wenn Du nicht kommst kannst Du vielleicht noch absagen, falls Du die Karte zeitig genug kriegst. Hoffentlich ist Dir der gestrige anstrengende und auf­regende Abend gut bekommen. Viele Grüße von Deine

Cousine

D Wie weit hast Du die Gedichte ?!

                                                                                                          Halle a.S. d. 26.VI.07 Lieber Luis ! 

Das Schleiergedicht ist nicht in meinem Besitz, hoffentlich kom­men Dir dafür noch ganz besonders neue Gedanken. Sei recht fleis-sig, dann wirst Du auch wieder gesund werden,, natürlich nur, wenn Du Dir essigs. T.e gekauft hast. Ich übereiche den Schleier, mache das also recht kurz.

Viele Grüße

Dore.

                                                                                                                      Halle a.S.d.3.IX.07 L. V. L.!

Ich bin sehr betrübt, daß Du mir das T. nicht hast zukommen las­sen, ich hätte es gerne heute wieder nach L. geschickt, da Margrit am Donnerstag abreist. Hoffentlich erhalte ich es morgen. Kannst Du es vielleicht auf dem Martinsberg deponieren, so daß ich es morgen Vormittag abholen kann ? V. Gr. v. D. C. D. H.

Halle a. S. d.16.IX..07 Lieber Vetter Ludwig !

Natürlich haben wir schon eine Absage von Herrn Dr. Kopf, der sich zu der Zeit auf einer Urlaubsreise befindet. Den sollte doch Margrit kriegen, weiß Du keinen "Gleichartigen" ? Du bist wirk­lich ein spärlicher Stümper. Vater hat schon abfällig geknurkst, als wir von Höhndorf sprachen. Aber Du kannst trotzdem mal an­fragen, ob der da noch da ist, denn er ist immer noch besser wie nichts. Bitte, überlege recht angestrengt bis Mittwoch, viel­leicht fällt Dir noch jemand ein. Von wegen Schäfer werden wir uns bis Mittwoch überlegen. Annemarie schlägt sonst noch Eber­mann vor. Ist der Dir vornehm genug ? - Olga hat mir heute ge­schrieben, daß sie sehr gern eine verlassene Anna spielen will, ich glaube sie kann es auch ganz gut. - Also Ludwig, wenn Du uns bis Mittwoch Abend keine anständigen Herren schaffst, kriegst Du nichts zu essen, oder keine Dame zur Hochzeit, oder wir laden Herrn Böttger für Dich ein. Hoffentlich spornt Dich das an.

Sonst habe ich Dir nichts mitzuteilen. Ist Ihnen der gestrige reizende Abend gut bekommen ? etc. Viele Grüße von Deiner

Cousine Dore

Was sagt denn Deine Wirtin zu den zarten Briefchen, ich dachte daraufhin hätte sie schon ihren Töchtern den Verkehr mit Dir un­tersagen sollen !

 

 

Greifswald,  d 26.9.07 (Poststempel)  

 

 

                        

Lieber Ludwig !

Die Maria bittet Dich doch noch die in Aussicht gestellten Polterabend-Rosenkranz-Gedichte zu senden, natürlich möglichst umgehend ! Zugleich würde es mir äußerst willkommen sein, wenn Du mir irgend eine Litanei, Mimik ... (z.B. Blechlöffel u. ähn­liches überbringende Rattenfallen Händlerrolle) zustellen könn­test zur Verwendung auf der Triebler Hochzeit, also ebenfalls cito, cito. Bis jetzt bin ich für d. Polterabend blank. Auch braucht die Maria noch ein Gedicht zur Übergabe von Pantoffeln. Der Vater lässt sagen, er habe Dich in Grunewald angemeldet. Er selber käme auch hin, aber erst Freitag. Was bezüglich der Gruw. Hochzeit noch beschlossen, ist mir aus den verworrenen Reden des ... nicht klar geworden.

D. tr. Br. Gottfried

undatierter Entwurf für die Aufführung von Ludwig Herzfeld

Vergangenheit (mit dem Rosenkranz

Gegenwart     (mit  "  Brautkranz

Zukunft      ( "   "  Brautschleier

(Lotte Triebel u. Mutter spielen Brautzug aus Lohengrin.)

Vergangenheit  (Das sollst nämlich Du sein, liebes Dorchen)

Sanft ist verhallt der süße Reigen,

der huld gend unsrer Braut erklang,

So laßt uns brechen denn das Schweigen

Frisch folgen unserem Herzensdrang.

Gegenwart

Dir ziemts den ersten Gruß zu bringen,

Der Botin froher Jugendlust.

Zukunft

Leis wird durch unsere Worte klingen

Manch ernster Ton aus tiefster Brust.

Vergangenheit

Blühende Jugend ohn1 Schatten u. Leid,

Sonnige, wonnige Mädchenzeit,

(Da das Herz so voll u. das Hoffen so süß,

Und die Welt ein verträumtes Paradies)

 

 

 

 

Im Anschluß an die Reise war  ich zur Hochzeit v n Martin Knaths in Magdeburg, von der nichts zu berichten ist, irgendwann war auch die von Hans Knaths in Bern­burg, wo ich den gemeinsam benutzten Zug, infolge Be­suches, fast verpaßt hätte. Dort schliefen Lotte Knaths und ich in einem Zimmer im Hotel, und als wi r schlafen gingen, wähnten wir uns ganz allein noch auf, und so ließ Lotte, als sie aufs Klo ging, die Tür zu unserem hell erleuchteten Zimmer sperrangelweit offen. Da hörte ich Schritte und Männerstimmen, konnte aber die Tür nicht schließen, da ich ja selber gerade mein Nachthemd anzog. So verkroch ich mich in einer Ecke und mußte den lieblichen für uns bestimmten Gesang "Bin Prosit., ein Prosit, ein Prosit der Gemütlichkeit" dort beschämt, aber auch schrecklich lachend anhören.  E s war der Bru­der des Mannes von Frieda Knaths - Karl Pietzker - und Vetter Ludwig, die aber glücklicherweise draußen blie­ben. - Die Hochzeit von Frieda Knaths hatte ich hier in Halle auch, mitgemacht. Mein Herr war noch nicht da, als wir in der Kirche auf unsere Plätze gingen, und so behauptete er, er hätte schon an meinem wütenden Gesicht gemerkt, daß ich "seine Dame" wäre. Wir unter­hielten uns in der Folge sehr gut, er war ein sehr guter Gesellschafter und gescheiter Mensch, und ich mußte ihm im Laufe des Abends sagen, daß meine Schwe­ster einen oesterr. Offizier geheiratet hätte und mein 'Vater nicht noch ein zweites Mal eine Kaution aufbrin­gen könnte. Er war Oberleutnant und es war auch, gut so, ich weiß nicht, ob ich mich zur Offiziersfrau geeignet hätte.

L

Am nächsten Tag war noch ein gemeinsamer Kaffe bei
Knathsens. Mein Herr und ich saßen auf dem Sofa, wobei "derselbe" das Sofakissen umarmte und auf meine Rüge dieser Ungehörigkeit sagte er: nun etwas muß ich im
Arm haben "faute de mieux". Daher stammt diese von
mir später oft zitierte Redewendung. Auf dem Polter-abend
hatte ich. den Brautkranz oder Rosenkranz überreichen sollen, war aber jämmerlich stecken geblieben! Der junge Ehemann war Felix Pietzker - Marineingenieur, der an der Vervollkommnung des Zeppelins mitgearbeitet hatte. Nach nur 3- oder 4-jähriger Ehe war er mit bei einem Probeflug des Zeppelins über Berlin, der brennend über der Stadt abstürzte. Natürlich waren alle Mitreisenden tot. Frieda Knaths heiratete später jenen oben
erwähnten Bruder Karl. 

 

 

 

In Halle waren schon im Herbst 1905 Hausbaupläne auf­getaucht, vielleicht schon früher, und im Laufe des Winters war mit dem Bau begonnen worden, dessen Fort­schreiten wir fast täglich kontrollierten. Wir lernten dabei recht viel und besonders, daß man grade bei ei­nem Hausbau recht betrogen werden kann. Wenn Vater nicht darauf bestanden hätte, wären die Mauern nicht durch eine Zwischenlage von Dachpappe isoliert worden. Als das Haus dann wuchs, stiegen meine Brüder und ich ohne .jedes Schwindelgefühl bis in die höchsten Dach­balken, wobei man nämlich von oben durch das ganze luftige Haus sehen konnte, was schon Schwindel hätte erregen können. Wir sollten jeder ein Wohnzimmer und ein gemeinsames Schlafzimmer kriegen. Die Schlafzimmer waren im 1. Stock, auch das eine Fremdenzimmer und das gemeinsame Wohnzimmer von Heinrich, und Ludwig. Wir planten nun, wie wir unsere Wohnzimmer einrichten woll­ten, nämlich von unseren ersparten Geschenk- und Taschengeldern. Wir hatten schon lange Kleidergeld be­kommen, erst 23,- Mk monatlich und später mehr. Schließlich gab uns Vater monatlich 50,- Mk Taschen- und Kleidergeld und nahezu noch 50,- Mk "Ausstattungsgeld", das wir im Notfall ausgeben konnten, eigentlich sollte es gespart und zum Kauf einer etwaigen. Ausstat­tung verwendet werden. Ich wüßte auch nicht, daß wir

al1e etwas davon ausgegeben hätten, sondern wir haben es immer brav zur Sparkasse gebracht. A.M. und ich zogen nun bei allen Tischlern rum, um die schönsten und preiswertesten Möbel zu erstehen. Ich kaufte mein Zim­mer bei Kaumann in der Rathausstr,, von dem vor Jahren unsere neuen Eßzimmermöbel gekauft waren. Dort war eine Ausstellung moderner Möbel, auf der ein ganz mo­dernes Damenzimmer stand, das mich entzückte. Ob es nun wirklich auf die Dauer so schön war, wußte ich nicht, deswegen ließ ich mir Z ei. t und sah es mir noch 1 oder 2x an, bis ich mich dafür entschloß. Es war aus naturfarbenem gewachstem Mahagoniholz, innen mit blauem Ahornholz ausgelegt, Entwurf eines hall. Künst­lers Matthis Masuren und kostete etwa 1000,- Mk, wurde aber erst geliefert, als wir einige Wochen im Hause wohnten.

Auch Mutter bestellte Möbel für den "Salon", da die alte "rote Stube", die ich damals immer sehr schön fand, wie sie sagte, nie richtig ihr Geschmack gewe­sen war. Im neuen Salon stand Annemaries Flügel, auf dem sie selbst aber recht wenig spielte, obgleich sie besser spielte als ich! Das Haus ging nun seiner Voll­endung entgegen, die Tapeten und Stuckverzierungen wurden ausgesucht, teils auch Stoff-Rupfenbespannun-gen, was damals sehr mode war. Die Bespannungen oder Tapeten gingen nur bis etwa 3/4 der Zimmerhöhe und die Wände wurden oben durch Vuten(?)-Rundungen zur Decke übergeleitet. Im August 19°6 zogen wir ein, A.M. und ich übernachteten bei Onkel Wolfgang und Tante Lise in der Seydlitzstr., v/o wir sehr nett auf­genommen wurden. Am Sonnabend waren die Möbel vom Bankverein zur Wittekindstr. 11 b gefahren und ausgela­den worden, am Montag wurde Glas, Porzellan usw. aus­gepackt und nach dem Aufwaschen eingeräumt. Alle, auch die Jungens waren mit Begeisterung bei der Arbeit, und ich sehe uns noch in der Plättstube im Kellergeschoß in Bergen von Holzwolle stehen. Dazwischen wimmelten auch wohl noch einige Maler, kurz, es war ein mächti­ger Betrieb. Und dann war es wunderschön da draußen, das Haus stand, mitten im Garten, und das genossen wir gründlich, Ludwig und ich besonders, aber auch Hein­rich, widmeten uns der Gartenarbeit. Ich schnitt häu­fig das Gras mit einer Handschere oder mit der Sichel, die großen Flächen auch mit der Sense, aber das war schon schwerer. Wir pflanzten und säten Blumen und Bäume und Ludwig befestigte die Wege und baute eine Laube vor dem Haus und eine "Pergala11, einen einseiti­gen Laubengang, an. dem echter Wein, ebenso wie an der Hauswand, gezogen wurde. Den Wein und Rosen hatte uns Onkel Robert aus Plappeville geschickt. Die Rosen sind eingegangen, der »'/ein steht z.T. noch, es waren sehr gute süße Sorten.32

Nun hatten Franz Petz und A.M. viele Briefe gewechselt und es war vorgesehen, daß der Petz im September nach Halle kommen sollte. Da traf es sich nun so "glück­lich" , daß Onkel Robert und Tante Hertha aus Metz sich auch anmeldeten, und als wir sie von der Bahn abholten und auf der Elektrischen fuhren, stand der Patz plötz­lich auch auf dem Perron. Wir waren sehr aufgeregt, denn es sollte ,}a noch geheim bleiben! Schließlich wur­den Onkel Robert und Frau aber in das Geheimnis einge­weiht und Franz als ^ante Herthas Neffe ausgegeben, als die anderen Verwandten abends kamen. In den nächsten Tagen hatte "das junge Paar" sich geeinigt, Vater und Mutter gaben ihren Segen zu dem Bunde und so verlobte sich Annemarie mit dem Hauptmannauditor Franz Petz, der aus Konstantinsbad im Egerland stammte. Franz sprach nehr egerländisch-wieneriseh und es machte ihm Spaß, alle Fremdworte deutsch auszuprechen (Bellewueh) und auch sonst allerlei Wortspiele zu gebrauchen und zu ersinnen. Br blieb einige Z ;it in Halle und wir lernten Ihn als einen sehr humorvollen und zuverlässi­gen Menschen kennen. Einzelheiten weiß ich nicht mehr, nur, daß Franz am 1, Abend seines Hierseins an der Milch, die bei uns abends viel getrunken wurde, sioh schrecklich verschluckte, so daß sie ihm zur Hase wieder herausspritzte, das zum Teil peinlich, aber auch schrecklich koraiseh war. Und als er bei einem Glas Wein (bei der Verlobung), nachdem Vater auf das Wohl des Brautpaares gesprochen hatte, das Wort er­griff und auf das Wohl seines lieben „Breitchens" und ihrer Familie trank.

^^^^^K^ytöy^^^^^S^^^S^i^'.


HALLE a. S., Wittekindstr. 11 b.

. /J.

 

 

                                                                                                                             

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Da in den darauf folgenden Jahren Martin seinen Militärdienst in Sachsen ableistete und die Technische Hochschule in Dresden besuchte, werden die Informationen über die Familie - insbeson­dere die Hallenser - immer spärlicher, dafür erfahren wir eini­ges über die Dresdner Linie (Onkel Walter).

Onkel Walter hat ein neues Fahrrad erfunden, auf dem er zu fahren pflegt und das die Pieschener die Angstmühle zu nennen pflegen. Frau Geheimrat Rupprecht möchte Bilder von den Kindern geschickt bekommen u. das die Mutter mal an sie schriebe."

Dresden, den 16. Juli 08

"Hier gibt es nicht viel Neues: Onkel Albert, der mit seiner Fa­milie in Schandau a.d. Elbe" ist, hat einen Enkel in Wien, wo jetzt Tante Anna ist, bekommen. Onkel Walter ist auf seinem selbsterfundenen und selbsterbauten Rad vorigen Sonntag nach der Schweiz abgefahren. Bis jetzt soll jede Nachricht von ihm fehlen, man nimmt deshalb an, dass er die nächste Poststation noch nicht erreicht hat. Nächsten Sonntag werde ich wohl zum letzten mal mit den Pieschnern, welche am Monatg sämmtlich in echten Tiroler Kostümen in die Schweiz fahren, in die Elbe baden gehn, woran sich

ein gemeinsames Abschiedessen schliessen wird. Heinrich Herzfeld in Schandau hat neulich beim Baden in der Elbe infolge vorherigen starken Rauchens einen Anfall von Herzschwäche gehabt. Es soll jetzt wieder ganz gut sein. Der kleinste Knabe in Pieschen34 r welcher 2 Jahre alt ist, hatte sich neulich in Kirschen befressen. - Da es hier jetzt häufig gewittert hat und dadurch die Strassen nicht mehr so staubig sind, ist mein Bronchialkatarr jetzt fast vorbei ..."

Dresden, d.2.Nov. 08

"Gestern waren wir mit Onkel Walther auf dem Pfeiffer, einem Berg­restaurant in der Lössnitz. Auch war gestern Wahlrechtsdemonstration mit ca. 40000 Teilnehmern. Die Wachen hatten scharfe Pa­tronen bekommen, aber es kam nichts Besonderes vor.-"

Dresden, 11. 11. 08

"Vorigen Sonntag waren wir bei Onkel Walter, welcher immer wei­ter an seinem Fahrrad erfindet. Die Tante Frickel, welche trotz ihrer 70 Jahre noch sehr vergnügungssüchtig und Stammgast in allen Conzerten,  Ausstellungen, Cafes & ist, hat mich zum Sonnabend Abend zu einem großen Ball eingeladen. Sie treibt übrigens viel Politik und schimpft viel über den deutschen Kaiser.

Der Hallenser Ludwig berichtet aus seiner Vaterstadt im allgemeinen Gutes. In Halle soll viel über die Grossen Reisen, welche der Grossvater gemacht habe, gescholten worden sein.

Dresden, d. 24. 11. 08

"Onkel Walter hat ein lenkbares Luftschiff erfunden, in welchem er nächstens auf den Heller fliegen will. Tante Kate ist nach Ber­lin gefahren, weswegen die Tante Frickel die Familie Walter enterbt hat. Darüber sind alle, insbesondere der Zweijährige sehr nieder­geschmettert. Leni Herzfeld35 wird Ostern konfirmiert. Sie wird von ihrem Vetter Wolfgang Herzfeld geliebt.

 

ohne Datum (Dresden, Frühjahr 09)

"Bernhard Schulze ist beim Großvater und lernt Schauspieler.49) Der Grossvater hat gesagt, wenn er noch so könnte, wie früher, würde er ihm das Hinterleder vollhauen. Der Grossvater hat sich auch mit der Helmboldt und seinem ganzen Haus photographieren lassen. Die Familie Walter singt heut in einem Kirchenkonzert, sogar der Kleinste, welcher erst 3 Jahre alt ist. In Halle ist Aufstand gewesen, und viele Menschen sind getötet. Hier ist die städtische Fleischsteuer aufgehoben, worauf die Fleischer die Wurst noch teurer und schlechter machen. Ein Argu­ment für die Schutzzöllner."

Dresden, d. 7. 6. 09

"Der Grossvater ist nach Priedrichsroda gegangen, um sich für seinen 90. Geburtstag zu stärken. Mehrere Mitglieder der Familie planen eine Feier grossen Stils in Stadt Hamburg oder Wittekind. Gott bewahre uns! ... Gestern war ich bei Walters, welchen es fortgesetzt gut geht, welche aber auch nicht viel mehr Geld ver­dienen wie wir."

In einem Brieffragment ist ebenfalls von der geplanten Geburts­tagsfeier für den Großvater die Rede und "dass Tante Mietze und Tante Grete schon beständig in Friedrichsroda weilen, um den Gross­vater würdig vorzubereiten. Auch ist der Gottfried dorthin einge­laden worden. Ich werde mich von dieser Feier nach Möglichkeit fernhalten".

 

 

 

 

 

 

 



 


 



Dresden, d. 22. 6. 09

"Indess bin ich an vielen Tagen mit 30 und 40 & Pfennig ausgekom­men. Dafür habe ich vergangenen Sonntag mit dem Hallenser Ludwig eine Tour ins Weiseritztal gemacht, die mir incl. Bahnfahrt über 3 M gekommen ist. Infolgedessen habe ich jetzt nichts mehr und nähre mich von Brot und Käse, den ich gegen alte Milchflaschen ein­tausche. Auf diese Weise hoffe ich mein Leben noch einige Tage zu fristen. Schlimmstenfalls kann ich auch einige der mir geschickten Briefmarken gegen Essen eintauschen. Wenn ich gar nichts mehr habe werde ich meine Kammeruniform, die einzige, welche ich aus den gierigen Klauen der Unteroffiziere gerettet habe, veräussern und wenn auch diese aufgegessen sein wird, werde ich Onkel Walter oder einen Gastwirt anpumpen. Das erste hätte ich schon längst getan, aber Onkel Walter hat selbst immer nichts. Auch der Hallenser Ludwig lebt still und kärglich und kriegt von zu Hause wohl höch­stens 120 M monatlich, was unter heutigen Verhältnissen wenig ist."

Dresden, d. 13. 7. 09

"Wollt ihr alle am 12. September nach Halle fahren ?" so fragt Martin im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Geburtstag des Groß­vaters Ludwig bei seinem Vater an. "Ich werde wohl nicht können; habe auch nicht die mindeste Lust, da dort sicher Alkohol getrun­ken und übermässig gegessen wird."

über den Verlauf der Feierlichkeiten ist aus Martins Briefen nichts zu entnehmen. Beinah erst ein Jahr später,nach einem Besuch in Halle , wo er sich einen Magen- und Darmkatarr "infolge Fleisch-und Alkoholgenusses" zugezogen hatte, hören wir wieder etwas vom Großvater Ludwig:

Dresden, d. 16. Juni 1910

"Der Großvater ist sehr schwach und sehr schwerhörig, so dass man sich fast gar nicht mehr mit ihm unterhalten kann. Auch bekommt er Abends dicke Füsse und ist dann sehr unruhig. Doch isst und trinkt er mit grossen Appetit Wurst, Braten, hartgekochte Eier und ähn­liche Dinge.  Bernhard Schulze36 will ein Engagement als Schauspieler annehmen. Er hat schon fast hundert Rollen studiert, die er den ganzen Tag hersagt, wobei ihm die Telephonfräulein von der gegen­überliegenden Post zuhören.

Ich war auch bei Onkel Hans, dessen Geschäft geht; sowie bei Alberts, welche beide gealtert sind. Ebenso bei Tante Klara, welche kein gutes Haar an Tante Mietze liess, und deren Tochter durch das Studium der Mathematik sich nicht verschönert hat."

Dresden, Sonntag, d. 1.7.10

 Lieber Vater,

Heut komme ich endlich dazu an Dich zu schreiben. Die Hochzeit war sehr schön. Auch war es nicht übermäßig eng. Der Bräutigam 37 oder jetzige Mann von Lore 38 ist ein Deutschrusse und ein sehr sympathischer Mensch. Ebenso seine Schwester, welche Lehrerin in Berlin ist. Am Polterabend waren wir bis früh um fünf im Grunewald, am Hochzeitstag bis um 12 Uhr, um noch mit dem letzten Zug nach Cöpenick fahren zu können. Es wurde sehr viel Theater gespielt, zum größten Teil rechter Quatsch. Auch gesungen ward, was sich be­sonders aus Clementinens39 Munde herzzerreissend anhörte  Alexander ging umher wie ein Schatten und betonte in seiner Hoch­zeitsrede, dass der Mann sich der Frau unterordnen müsse. -Indess war die Hochzeit nur die Ouvertüre  meines Aufenthaltes in Berlin-Cöpenick. Ich war noch im Kolonialamt und, auf Alexanders Rat, bei dem Direktor der Physikal. Techn. Reichsanstalt: Hagen. Das Kolonialamt, resp. der Dezernent für Bauwesen, Geheimrat Fischer, sagte, dass ich

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Renate Margarethe Bernhard Erich 1913   

für die nächsten 5 Jahre nicht nur mit Wahrscheinlichkeit sondern mit Gewißheit darauf rechnen könne, sofort anzukommen. - Die übrige zeit meines Aufenthaltes in Cöpe­nick war sehr schön. Wir waren fast jeden Tag am Müggelsee..

Müggelsee 1907 Renate Margr. Erich

 

Der grosse Bernhard 40i st ein höchst eigentümlicher Mensch. Er war furchtbar liebenswürdig zu mir und betrug sich auch Frau und Kindern gegenüber in meiner Gegenwart anständig, doch merkte man, dass er sich Zwang antat. Jedenfalls hat er zu 99% Schuld an dem unglücklichen Verhältnis zu seiner Familie. Man sieht an ihm so richtig, dass "die Sünde der Leute Verderben" ist. Er könnte ein beneidenswertes Dasein führen mit einer Frau, die zwar nicht vollkommen ist, aber doch mehr Vorzüge als Fehler hat und sehr leicht zu erziehen gewesen wäre, und mit Kindern, die alle so gut von Charakter und so begabt sind, wie man sie selten findet. Dies sage ich, obwohl ich die herkömmliche Moral und religiöse Be­weggründe nicht anerkenne. Der grosse Bernhard aber ist ein star­rer, äusserst selbstgerechter Moralist und hat an Albert in Halle geschrieben, dass er eine gottesfürchtige (!!) Hausfrau brauche. Er hat sich gewöhnt, an Frau und Kindern nur das Schlechte zu sehen und hält sich glaube ich für eine Art Heiligen und Märtyrer.

Bist Du in Metz gewesen ? Wie geht es Dir und der Mutter jetzt ? Ich ziehe morgen früh nach Quohren im Erzgebirge, wo meine Ver­messungen stattfinden, da ich bis jetzt immer um 4 Uhr früh auf­stehen musste, um rechtzeitig draussen zu sein. Es ist wunderschön draussen, aber sehr anstrengend. Wie geht es den Kindern ? Falls wir in meiner Sektion sehr schnell arbeiten, hoffen wir am Ende nächster Woche fertig zu sein, so dass ich dann auf ein paar Wochen nach Greifswald kommen könnte, worauf ich mich sehr freue. Ich schreibe wahrscheinlich morgen oder übermorgen von Quohren aus. Die Hemden habe ich erhalten. Sie sind leider zu gross. Ich werde sie umtauschen.

Herzl. Grüsse an alle Martin

 

 

Alexander Herzfeld mit Familie 20. März 1904 in Berlin

 

 

 

         Lore      Franz      Klara geb. Kieschke   Alexander  jun.      Alexander  sen.           Günther         Clementine

 

 

 

 

 

Dresden,  d. 8.Febr.1911

 

Lieber Vater,

 

Ich möchte nächsten Sonntag nach Halle fahren, um Onkel Hans eine Büchse Riemenschmiere zu geben. Da kann ich vielleicht Tante Klara mal besuchen.

Dem Großvater soll es gut gehen. Tante Hanna und Tante Klärchen sind immer noch verfeindet. Die Geschichte der Entstehung ihrer Feindschaft ist folgende. Als Günther (der künftige Schrift­steller) auf den Frankeschen Stiftungen war, bat er eines Tages seinen Vetter Hans Herzfeld um die Anfertigung eines deutschen Aufsatzes. Hans war dazu bereit, wagte aber nicht, ihm die Frucht des Verbrechens in der Schule oder zu Hause unter den Augen sei­ner Mutter zu übergeben. Er verabredete sich deshalb mit Günther, sich bei Tante Clärchen zu treffen, bei welcher die Aushändigung des Schriftstücks an der Cafétafel erfolgte, während Onkel Hans durch Erzählung ähnlicher Geschichten die Jugend noch mehr ver­darb. Auf irgend eine Weise erfuhr Tante Hanna davon, worauf sie eine heftige Auseinandersetzung mit Clärchen hatte, die mit dem Abbruch der Beziehungen endete. Der Grunewalder Alexander dient in Pirna bei der Artillerie, ist

Franz      Alexander    Günther

*17.6.1896  *23.7.1886    *8.4.1893

 

 

aber in Dresden noch nicht gesehen worden. Er hat zu einem Fah­nenjunker, der mit ihm zusammen dient, gesagt, er hätte nur einen Onkel in Dresden, den Major Sickel (welcher ein Vetter oder Schwager von Kischkes ist). Der Fahnenjunker ist zufällig mit Leni Herzfeld in die Tanzstunde gegangen und erzählte es bei Gelegenheit. Nun ist Tante Kate sehr böse, dass Alexander sie verleugnet.

Ich muß jetzt weggehen. Herzliche Grüße an Dich, die Mutter, sowie die Kinder      Martin.

In diesem Brief fand sich die letzte Mitteilung meines Großvaters Martin über seinen Großvater.

 

 

 

Im Anschluss an die Reise war ich zur Hochzeit von Mar­tin Knaths in Magdeburg, von der nichts zu berichten ist, irgendwann war auch die von Hans Knaths in Bernburg, wo ich den gemeinsam benutzten Zug, infolge Besuches, fast verpasst hatte. Dort schliefen Lotte Knaths und ich in einem Zimmer im Hotel, and als wir schlafen gingen, wähnten wir uns ganz allein noch auf, und so ließ Lotte, als sie aufs Klo ging, die Tür zu unserem hell erleuchteten Zimmer sperrangelweit offen. Da hörte ich Schritte und Männerstimmen, konnte aber die Tür nicht schließen, da ich ja selber gerade mein Nachthemd anzog. So verkroch. ich mich. in einer Ecke und musste den lieblichen für uns bestimmten Gesang "Ein Prosit, ein Prosit, ein Prosit der Gemütlichkeit" dort beschämt, aber auch schrecklich lachend anhören. Es war der Bruder des Mannes von Frieda Knaths - Karl Pietzker - und Vetter Ludwig, die aber glücklicherweise draußen blieben. - Die Hochzeit von Frieda Knaths hatte ich hier in Halle auch mitgemacht. Mein Herr war noch. nicht da, als wir in der Kirche auf unsere Plätze gingen, und so behauptete er, er hätte schon an meinem wütenden Gesicht gemerkt, dass ich "seine Dame" wäre. Wir unterhielten uns in der Folge sehr gut, er war ein sehr guter Gesellschafter und gescheiter Mensch, und ich musste ihm im Laufe des Abends sagen, dass meine Schwester einen oesterr. Offizier geheiratet hatte und mein Vater nicht noch ein zweites Mal eine Kaution aufbringen konnte. Er war Oberleutnant und es war auch gut so ich weiß nicht, ob ich mich zur Offiziersfrau geeignet hatte.

Am nächsten Tag war noch ein gemeinsamer Kaffe bei Knathses. Mein Herr und ich saßen auf dem Sofa, wobei "derselbe" das Sofakissen umarmte und auf meine Rüge dieser Ungehörigkeit sagte er: nun etwas muss ich im Arm haben "faute de mieux". Daher stammt diese von mir später oft zitierte Redewendung. Auf dem Polterabend hatte ich den Brautkranz oder Rosenkranz überreichen sollen, war aber jämmerlich stecken geblieben! Der ,junge Ehemann war Felix Pietzker - Marineingenieur, der an der Vervollkommnung des Zeppelins mitgearbeitet hatte. Nach nur 3- oder 4-jahriger Ehe war er mit bei einem Probeflug des Zeppelins über Berlin, der brennend über der Stadt abstürzte. Natürlich waren alle Mitreisenden tot. Frieda Knaths heiratete später jenen oben erwähnten Bruder Karl.

Im Frühjahr 1910 war ich auf einer großen Gesellschaft bei Wernickes in der Kurallee, jedes Jahr gaben sie eine großartige Tanzerei, zu der ich geladen wurde. Aber dieses mal war es besonders bedeutungsvoll. Wir gingen zu Tisch und mein Tischherr war noch nicht da, es war ein junger Arzt "Dr. Schober, den ich ja nun schon kannte. Ich unterhielt mich, so gut es ging, konnte nichts ändern (es war ja auch gar nicht schlimm!), denn mein Herr hatte noch einen auswärtigen Krankenbesuch zu erledigen. Schließlich kam er aber doch, hatte einen prächtigen spitzen Vollbart (!) und wir unterhielten uns ausge-zeichnet, obgleich er nicht blond und blauäugig, sondern recht dunkel war! Später erfuhr ich folgendes: Dr. Schober hatte zu dem Fest abgesagt, weil er sehr viel zu tun hatte. Da rief ihn
Fräulein Wernicke an und redete ihm zu, doch zu kommen, er bekäme auch eine sehr nette Tischdame und zwar Fräulein Herzfeld! Da sagte er zu. Wir redeten nun über "alles", Theater, Sport, Beruf, Klassiker und was weiß ich. Offenbar auch über häusliche Dinge, denn dem Dr. Schober imponierte es, dass ich sein Zuspätkommen nicht übelge- nommen hatte (wie ich später erfuhr), dass ich abends mit meinem Vater Schach spielte, wir uns gegenseitig den Inhalt unserer Lektüre berichteten oder ich Vater die Zeitung mit Kursberichten vorlas, auch notfalls ihm die Haare mit der Maschine schnitt !
So verging  nun wieder ein Jahr und wir rüsteten zu einer Tanzgesell-schaft in der Stadt Hamburg für den 4.2.1911. Die Liste der Gaste wurde aufgestellt, darunter war auch Dr. Schober. Auch die ältere Generation wurde eingeladen, Vaters Kollegen und Geschäftsfreunde, so dass in dem Saal eine Hufeisenförmige Tafel besetzt war und dazu noch ein oder 2 Tische im Hohlraum des Hufeisens. Wir kriegten viele Zusagen und nun wurde die Tischordnung gemacht. Ich hatte einen mir entfallenen neuen Herrn und Käthe Buff (später Böttges in Dessau) hatte Dr. Schober, da ich beide sehr nett fand. Nach Tisch tanzte die Jugend und die Alten saßen rund um den Saal herum. Es war ein lustiges Treiben und ich als Haustochter tanzte unentwegt, da natürlich jeder Herr mindestens einmal mit mir tanzte. Zur 1.Quadril­le, davon meist 2 an einem Abend getanzt wurden, hatte mich Dr. Schober aufgefordert. Als er zur Begrüßung
in den Saal kam, dachte ich "ach, du lieber Gott", denn
sein Vollbart war noch schöner und größer geworden.

Nun assyrisch! Trotzdem unterhielten wir uns aber gut, wenn er auch etwas stiller war als sonst, den Grund dafür sollte Ich bald erfahren. Die Quadrille war beendet und mein Herr sagte zu mir "wollen wir nicht ein bisschen im Saal herumgehen, ich möchte noch etwas besprechen (oder so ähnlich)". Ich spazierte, mein linkes Händchen auf seinen rechten Arm gelegt - also angehenkelt - mit ihm rum, wie mir nachdem klar wurde, angesichts aller um den Saal Herumsitzenden. Was mögen die wohl gedacht haben? Vielleicht das Riohtige, denn der Vater Wernicke hatte zu Mutter gesagt: Frau Justizrat, wenn etwa mal der Assessor Kopf oder der Schober Sie um die Hand ihrer Tochter bittet, so sagen Sie nicht nein, für beide lege ich meine Hand ins Feuer. Und nun kams:  Ich wurde gefragt, ob ioh wohl geneigt wäre, öfter mit Dr. Schober zusammen zu kommen, da ich ihm so gut gefiele, dass er mich gern heiraten würde, aber wir kennten uns ja eigentlich zu wenig. Allerdings kannten wir uns wohl seit 3 Jahren, hatten uns aber jedes Jahr nur einmal gesehen. Ich überlegte kurz und sagte ,ja, ich wollte es mir überlegen. Am nächsten Tag fuhr Dr. Schober zum Skilaufen ins Johanneser Kurhaus in den Harz und wir wollten miteinander korrespondieren, bzw. ich ihm das Resultat meiner Überlegungen mitteilen. Wir saßen nun noch eine Weile zusammen, er fragte mich, ob ich nicht mitreisen wollte, seine Schwester und Schwägerin waren mit, aber ich fühlte mich den Damen gegenüber zu fremd, als dass ich das bei meinen Hemmungen fertig gebracht hätte. So führten wir - nach­dem Dr. Schober sich verabschiedet hatte gegen ½ 2   Uhr - das Fest gegen 2 Uhr zu einem guten Ende. Lotte Knaths und Käthe Buff schliefen mit in meinem Schlafzimmer, da sie beide von auswärts - Dessau und Berlin - herbeigeeilt waren. Ich ging noch zu Vater, Mutter und Heinrich auf die Diele und erzählte ihnen mein Erlebnis und fragte sie um ihre Meinung über Dr. Sohober - Heinrich hatte einen sehr guten Eindruck von Ihm., und Mutter wusste von Frau Traut- mann, dass er ein sehr guter Arzt und charakterlich und über-haupt in jeder Beziehung ein lobenswerter Mensch wäre. Sie wusste, wie nun rauskam, auch von ihr - wahrscheinlich über Paul Trautmann - dass sich Dr. Schober für mich "interessierte", Paul Tr. tat es auch, hat mich aber glücklicher Weise nicht direkt gefragt. Nun sagte ich Gute Nacht und ging ins Schlafzimmer. Dort wurde natürlich erst noch ordentlich alles durchgesprochen, ich verriet aber mein Geheimnis nicht, erfuhr von Kathe Böttger, dass ihr Tischherr sehr viel von mir und meinen äußeren und inneren Vorzügen gesprochen hatte.
Der Clou war aber Lotte Knathses Äußerung, Dr. Sohober wäre wohl sehr nett, aber sie glaubte, er wäre ein bisschen ein "Familien-täuscher"! Diese Äußerung hat mein Verlobter, als ich ihm später davon erzählte, mit einer lachenden Empörung von sich gewiesen and gesagt, er wüsste nicht, wem er je zu dieser Bemerkung Veranlassung gegeben hatte. Und ich muss heute sagen, dass er mit seiner großen Gewissen-haftigkeit, Beherrschtheit und Rücksichtnahme auf alle Menschen sicher nie jemand bewusst getäuscht hat!

Nun vergingen 14 Tage, ich schrieb in der Zeit nach dem Johanneser - Kurhaus, das ich mich für das Kennenlernen entschlossen hätte; über dem Wortlaut des Briefes brütete ich so, dass Vater mir schließlich dabei geholfen hat, und es war ein schrecklich trockenes, "geschäftliches" Schreiben geworden! "Von Dr. Schober kam ein erfreuter Dank und am 18.2. abends ein Anruf, dass es im Harz, getaut hätte und sie frühzeitig heimgekehrt wären. Ich war in der Zwischenzeit ordentlich Schlittschuh gelaufen, hatte auch noch 2 Gesellschaften mitgemacht und mich in Gedanken mit der Zukunft beschäftigt. Ich hatte mir gewünscht, dass ich einen Mann fände (aber vielleicht erst seit einem Jahr), dem ich, abgesehen von selbstverständlicher Harmonie in der Ehe, in seinem "Beruf beistehen könnte, um auch mit ihm kame-radschaftlich verbunden zu sein. Das schien mir in diesem Fall möglich zu sein. Am Telefon verabredeten wir, dass Dr. Schober am Sonntag, dem 19.2. vormittags bei Vater und Mutter Besuch machte, um  das Weitere zu verabreden. Ihr seht, es war eine sehr geordnete Angelegenheit, nicht wie in einem Roman mit stürmischer Liebe. Das lag wohl in Dr. Schobers Gewissenhaftigkeit begründet, der eben kein "Familientäuscher" sein wollte. Gegen 12 kam er an, feierlich in Cut oder Gehrock gekleidet, mit einem herrlich zarten, großen Fliederstrauß für mich. Vater empfing ihn in seinem Zimmer (jetzt Herrn Poppes Küche/ und Dr. Schober erzählte ihm von seiner Absicht, hatte eine Aufstellung seiner in den Jahren steigenden Einnahmen mitgebracht und beide Männer verstanden sich gut. Er hatte in seiner Praxis manches Beispiel einer unglücklichen Ehe und der Ursachen gesehen und meinte, eine geordnete wirtschaftliche Grundlage wäre so notwendig und kein Vater konnte seine Tochter ohne eine solche keinem Manne anvertrauen. Ich wurde nun gerufen und kam mit Moritz, Heinrichs braunem deutschen Schäferhund, mit dem ich in der Zeit mit Herzklopfen am Esszimmerfenster gewartet hatte, in Vaters Zimmer. Wir verabredeten für 3 Uhr einen Spaziergang, Dr. Scho­ber wollte an der Gartentür klingeln, Ich war pünktlich fertig. Ich trug eine mit braunem Pelz besetzte Kopfbedeckung, eine 3/4 lange schwarze Plüschjacke mit Nerzkragen and silbernen Knöpfen, ein dunkles Kleid, schwarze Strümpfe (damals allgemein üblich) und schwar­ze Lackhalbschuhe. Es hatte geschneit und wir gingen die Wittekindstr. runter, die Seebenerstr. nach rechts und ungefähr beim Zoo-Eingang gegenüber auf die Trothaer -Felsen. Da wandelten wir eine ganze Weile herum und setzten uns schließlich auf eiue Steinbank, aber nicht die "es steht eine Burg überm Thale“. Nun unterhielten wir uns die ganze Zelt über "alles", über den Arztberuf und Dr. Schober ließ mich nicht im Ungewissen darüber, was ich als Arztfrau alles zu tun hatte, ob I oh mich davor auch nicht fürchtete. Das tat ich nicht, 1m Gegenteil, nur hatte ich Bedenken, weil ich nur wenig kochen konnte. Das machte nichts, da nahmen wir uns eben eine Köchin. Wir spazierten von den Felsen wieder in die Seebenerstr. nach der Reilstr. zu, darüber hinweg und in der Richtung Seeben weiter. Langsam wurde es mir ein bisschen kalt und wir landeten wieder in der Wittekindstr.  Auf der obersten Treppe, fast vor der Haustür, fragte mich Dr. Schober, ob ich nun genug von ihm wüsste oder ob ich meinen Entschluss noch rausschieben wollte? Sonst wüßte er gern, ob ich wohl geneigt wäre, ihn zu heiraten? Er gefiel mir ja sehr gut, und wenn er blond gewesen wäre - Ihr wisst ja, meinen Wunsch ! - , so hatte ich wahrscheinlich überhaupt nicht zu überlegen brauchen - so überlegte ich nun eben doch noch mal schnell und sagte "Ja". Ich muss bemerken, dass ich nicht etwa daraufhin einen Kuss bekam, es wäre  ,ja auch zu sehr vor der Öffentlichkeit gewesen, sondern erst viel später !  Wir gingen rein und schließlich ins Wohnzimmer, wo wir Vater und Mutter unsere beschlossene Verlobung mitteilten. Dass die sich darüber freuten, wusste ich, schon darüber, dass ich in Halle bleiben würde. Dass sie mit meiner Wahl zufrieden waren, hatten wir ja Frau Trautmann zu verdanken, die die Familie Schober seit der ersten gemeinsamen Schulzeit Schober - Trautmann kannte oder länger. So setzten wir uns zu Kaffee und Kuchen und auoh Großmutter wurde gerufen und war wirklich überrascht. Sie hatte uns von ihrem Fenster aus fortgehen sehen, war aber gar nicht auf "solche" Gedanken gekommen, da sie auch wusste, dass für mich nur ein blonder Mann in Frage kam! Bald sagte nun "Carl", er wollte zu Hause anrufen und das hörte ich auf der Diele, wo damals das Telefon hinter der Treppensäule hing» Er sagte: Lotti, sag doch. Mutti oder Muttchen, dass ich mich mit Frl. Herzfeld verlobt habe.
Ich wurde für den nächsten Abend mit Vater und Mutter
- oder allein ? - eingeladen. Der Tag war ,ja durch die Praxis ganz ausgefüllt. Erst ging aber noch der Sonntag zu Ende, wir aßen Abendbrot und danach rief Vater bei Onkel Wolfgang an, und er und Tante Lise kamen. Tante Lise sah sofort, dass sie meinen Verlobten von Ansehen kannte, er hatte nämlich seine Besuche oft in einem 2spännigen - ich glaube sogar, es waren 2 weiße Schimmel, also ziemlich auffallend - offenen Wagen gemacht, der seinem Freund Flade gehörte, und da hatte sie ihn "bewundert". Ich holte eine Flasche Sekt aus dein Keller und sie wurde auf unser Wohl getrunken. Carl erfuhr nun, was für eine große Familie wir waren und gewiss schwirrte ihm der Kopf von den vielen Namen. Später trug er immer eine Todesanzeige
vom Großvater Herzfeld ( gest. April 1911) bei sich, auf der die einzelnen Söhne und Töchter samt Enkeln aufgeführt waren. Sonst konnte sich auch keiner hinein finden. Von den 12 Kindern stammten ca. 40 Enkelkinde ab!              

Natürlich verging der schöne Abend viel zu schnell, Carl fragte mich, ob mir der Vollbart gefiele!!! Ich hatte nämlich schon immer überlegt, wie ich es ihm beibringen konnte und sagte nun offen: "nein", er versprach mir, ihn abnehmen zu lassen und trat mir am nächsten Abend bei seiner Mutter "ohne" gegenüber. Das war schon eine ganz andere Sache, man sah nämlich nun, dass er ein sehr hübsches Kinn, sogar mit einem "Grübchen" hatte. Aber der große Schnurbart war noch nicht gefallen, der kam erst am. nächsten Tage dran,, als wir beim Großvater Herzfeld Besuch machten und, so lächerlich. es ist, könnt ihr es mir glauben, da habe ich mich erst richtig in ihn verliebt ! Nun kaufte Karl die Verlobungsringe und steckte mir den meinigen mit lieben Worten an. Am 26.2. wurde die hallesche Familie eingeladen, auch Buffs aus Dessau waren da, die Verlobungsanzeigen waren schon verschickt und hatten große Überraschung hervorgerufen. Den Vormittag wohl des übernächsten Sonntages hatten wir als Empfangstag angesetzt, das war eine damals ganz praktische Mode, und alle Bekannten füllten den "Salon" und das Wohnzimmer, und der Assessor Kopf meinte, es wäre ja "unheimlich", dass er auf der letzten Gesellschaft mit lauter "heimlichen" Bräuten getanzt hatte, es hatten sich nämlich außer mir noch Else Kreis und ei­ne andere verlobt. Zu der Verlobungsfeier gab es das herrlichste Essen - kalt – u.a. Hummermayonnaise von Pottel, die den größten Anklang fand, es waren 6 Oder 7 große Schüsseln, und als noch eine serviert werden sollte, wurde sie nicht gefunden. Ich entdeckte sie am nächsten Tag in der Speisekammer und wir genossen sie abends um so mehr...

 

Nun wurden Zukunftsplane geschmiedet, im Herbst wollten wir erst heiraten, 1. wegen der zu beschaffenden Ausstattung und dann wollte ich gern den Sommer über noch im Elternhause bleiben. Nun fingen wieder die Besorgungswege in die Möbelgeschäfte an und zu Weddy-

Pönike. Die gute und einfache Tischwäsche für ca. 600,- Mk schenkte mir meine gute Großmutter Poppe, Die Möbel wurden wieder bei Baumann gekauft, Esszimmer, Schlafzimmer und Küche, Garderobe und für das Mädchenzimmer. Einige alte Sachen (der Schrank aus Artern ! ) wurden aufgearbeitet und auch mein Verlobter war mit unserer Wahl zufrieden. Er sah sich nur das Erwählte an, denn er war sehr mit der Praxis beschäftigt, eigentlich sahen wir uns nur abends, sonntags kam er schon nachmittags zum Kaffee und aß dann, wie immer, Abendbrot bei ung. Am liebsten von dem guten rohen Schinken aus Roßla.

Wir ließen uns bei Pieperhoff fotografieren, ich mit einer prächtigen Haarfrisur und der Fotograf sagte zu mir "bitte, das Köpfchen etwas zu dem Herrn Bräutigam neigen," Nun konnten wir vor Lachen kaum noch normale Gesichter machen,

 

 

 

Für den Anfang April war eine gemeinsame Reise mit Petzes nach Istrien schon lange geplant, sie wurde am 3. April angetreten, Karl konnte sich nicht so lan­ge - 6 Wochen - von seiner Praxis losreißen...

 

Eine Depesche meldete uns den Tod des Großvaters Herzfeld in Halle, wir beschlossen aber, nicht zur Beerdigung zu fahren, da die große Entfernung uns am Zurechtkommen gehindert hätte. So verteilten sie in Halle den Nachlass, ohne dass auf uns der Vatern zustehende Anteil kam, nämlich -Bilder, Möbel usw. Zur Begräbnisstunde waren wir in einer einsamen Gebirgslandschaft, als feierlich ein Trauerzug den Bergweg hinunterkam, für uns erschlütternd, die wir in Gedanken in Halle waren...

 

 

Am 24. April 1911 war Ludwig Herzfeld im 92. Jahre seines Lebens gestorben.. Betrauert von seiner Familie und der Öffentlichkeit wird der Ehrenbürger Halles am 28. April 1911 unter dem Geläut der Kirchenglocken der Stadt zu Grabe getragen und auf dem Nordfriedhof neben seinen Sohn Reinhold bestattet. Bärbel Liefler  kann sich noch an den Tod des Großvaters erinnern: „Wie er dann so auf den Tod krank war, dass alle Leute sich auch bei mir erkundigten, wie es denn dem Großvater ging, denn er war ja eine bekannte Persönlichkeit in Halle und so erkundigte sich auch mein Klassen lehrer nach dem Großvater und ich sagte: ‚Ach, dem Großvater geht’s schon besser, er hat gestern Abend ein Schmalzbrot mit Apfel gegessen.’ Und zur Beerdigung sind wir kleinen Mädchen noch in weißen Kleidern mit großen schwarzen Schärpen gegangen.“

 

 

 

 

Hochzeit Carl Schobers mit Dorothea Herzfeld in Halle an der Saale am 3./4. Sept. 1911

 

 

Die nachstehenden Auszüge aus den Lebenserinnerungen des His­torikers Hans Herzfeld, eines der zahlreichen Enkel des Ludwig und somit eines Vetters des Martin und der Dore Herzfeld (Schober), bieten eine gute Zusammen­fassung des Inhalts der obigen Briefe.

Meine Vaterstadt Halle, in der ich 1892 zur Welt kam, war kein Ort mehr, an dem Musen und Grazien geweilt hätten wie zum Jahrhun­dertbeginn, als die Romantik noch ihren Sitz auf den Felsen am Saa­leufer unterhalb der träumenden Universitätskleinstadt aufschlug. Uns Kindern kam es wie eine Sage vor, wenn der Vater erzählte, daß beim Einzug meines Großvaters in Halle 1870 die Stadt am alten Promena­denufer aufgehört habe. Die Königsstraße, in der später auch mein Vater wohnte, in der ich noch heiratete und mit meiner Frau wohnte, lag damals mit ihren inzwischen altersgrau gewordenen Häusern er­heblich vor dem Ring der Mauern. Als mein Großvater einzog, be­wegte man sich auf dem Wege vom Bahnhof dorthin nur zwischen Gärten. Mein Vater erzählte oft und gern, daß der Wirt - schräg ge­genüber der Königsstraße 10, in der wir später wohnten - den Miet­vertrag mit unserem Großvater abgeschlossen habe, ohne den damaligen Sprottauer Ehrenbürger nach der Zahl seiner Kinder zu fra­gen. Er wie seine Frau hätten die beginnende Abneigung vieler Zeit­genossen gegen eine zu stark lärmende Kinderschar geteilt; sie wagten aber nicht nachzufragen und ließen die Dinge in der Hoff­nung an sich herankommen, daß es nicht allzu schlimm werden wür­de. Wer beschreibt ihr Entsetzen, als an dem kritischen Tage zunächst eine Kutsche vom Bahnhof erscheint, aus der sich mit unseren Groß­eltern und einem strammen schlesischen Mädchen bereits ein ganzes Korps der Rache an Klein- und Kleinstkindern herausschält; im selben Augenblick aber biegt um die Gartenzäune der nächsten' Ecke noch eine ganze Schar halb erwachsener Knaben, die zielbewußt ebenfalls auf ihre Wohnung zusteuern und ihren entsetzten Besitzern klar machen, daß alle ihre Hoffnungen zu Wasser geworden waren.

Übrigens soll diese ältere Generation der Herzfelds - schließlich zehn Knaben und zwei Mädchen - dann die Wirtsleute durch ruhiges Wesen mit ihrer Existenz versöhnt haben. In dieser Richtung sind aber alle Überlieferungen unzuverlässig, da unsere zehn Onkel auf dem Martinsberg 4 - dem späteren Hause meines Großvaters - bei solchen Erzählungen die Wahrheit gegenüber der Schar der 34 Enkel und Ur­enkel unseres Großvaters aus pädagogischen Gründen nicht immer allzu genau nahmen. Es bestanden freilich in dieser wie in anderen Richtungen erhebliche Unterschiede. Die gewissenhaften Erzieher verteidigten die Prestigewerte wie der Kriegsgeschichtsschreiber Moltke den Ruhm des preußischen Heeres. Nach ihrer Behauptung wären sie alle im wesentlichen Musterkinder und gute Schüler gewe­sen. Zum Glück gab es auch unter unseren Onkeln geborene Oppo­sitionelle, wie Onkel Albert und Onkel Hans, die von ihrer Knabenzeit her einen tödlichen Haß gegen jeden Erziehungszwang, vor allem in der Schulform, behalten hatten. Sie pflegten auch bei den großen Familienkonventen ihre Ansicht rücksichtslos auszusprechen und sich dadurch das tiefe Mißfallen der Gegenpartei zuzuziehen. Im­merhin erlaubten sie uns dadurch den beruhigenden und erleichtern­den Schluß, daß auch in der letzten Generation nicht alles Gold gewesen sei und sehr erhebliche Schichtungen in Schulbegeisterung und Schulleistungen vorhanden gewesen waren. Sehr gefährlich konnte das alles nicht wirken, weil diese ganze Schar von Kindern sich im Leben unzweifelhaft bewährt hatte und im großen und gan­zen zu Stellungen aufgestiegen war, die uns Kindern und Enkeln nur zu imponieren vermochten.

Schon mein Großvater hatte einen glänzenden Aufstieg hinter sich. Der Sohn kleiner Kaufleute, hatte er mühsam studiert, indem er zum Semester von Schlesien auf die Universität nach Berlin wanderte. Als Rechtsanwalt aber hatte er sich so schnell einen Namen gemacht, daß er mit der Hand meiner Großmutter nicht nur eine Frau von feinster Bildung und guter Familie gewonnen, sondern mit dem kleinen Mük-kendorf auch den Aufstieg zu der Lebensform der bürgerlichen Ober­schicht vollzogen hatte. Schon in Sprottau Ehrenbürger der Stadt, erlangte er am Abend seines Lebens die Verleihung der gleichen Aus­zeichnung auch in dem wesentlich größeren Halle, wo auf ihn so wichtige Einrichtungen wie die Städtische Sparkasse zurückgehen sollten. Ich selbst habe ihn in der Zeit seiner eigentlichen Leistungsfähigkeit nicht mehr kennen gelernt, als er neben seiner großen Anwaltspraxis Stadtverordneter und langjähriger Stadtverordneten­vorsteher war. Als ich mit meinen älteren Brüdern zum Bewußtsein erwachte, hatte er sich in dem Hause Martinsberg 4 mit dem großen, prächtigen Garten an der Schimmelstraße, einem Paradies unserer Kinderzeit, bereits zur Ruhe gesetzt. Die feine, aber von Krankheit verzehrte Großmutter haben wir nur noch in ihren letzten müden Jah­ren gesehen, nicht mehr eigentlich erlebt. Seit ihrem Tode wurde der Großvater von Wirtschafterinnen betreut und bewacht, die gelegent­lich die Familie in fiebernde Aufregung versetzten, wenn Anlaß zu dem Verdacht bestand, daß sie zu größeren Aktionen gegen seine Hand und Erbschaft ansetzten. Uns Enkeln hat er in der Regel nur we­nige Fragen nach unserem Ergehen in der Schule und zu Hause ge­stellt. Disziplinarisch hatten wir mit ihm zu tun, wenn wir im Garten zu eigenmächtig an die Obstbäume gegangen waren,-etwa die gelieb­ten Reineclauden mit unseren Kindersäbeln heruntergeschmissen hat­ten. Wenn er dann am Arme der Haushälterin durch den Garten geführt wurde, konnte er den Krückstock scheltend und drohend ge­gen uns erheben, wie der alte Fritz. Für einige Augenblicke machte er dann einen lebhaft schreckenden Eindruck, der sich aber schnell mit der Erwägung abschwächte, daß ernsthafte Folgerungen doch nicht mehr infrage kamen. Im übrigen sahen wir ihn den ganzen Tag in unendliche Lektüre vertieft. Er las aus der Leihbibliothek von Patrunky angeblich mindestens einen Band am Tage. Auf den Inhalt kam es ihm in diesen letzten Jahren - freilich um das 90. Lebensjahr herum - offenbar in keiner Weise mehr an. Er las um des Lesens wil­len und soll schließlich die Bücher eigentlich nur noch durchgeblät­tert haben. Allmählich war die gewohnte Lebensfunktion ganz zum Mechanismus geworden.

Was für Essen und Lesen galt, galt auch für das Reisen, das zu sei­nen stärksten Leidenschaften gehört hatte. Der Großvater war als jun­ger Assessor auch bei den damals noch bestehenden privaten Eisen­bahngesellschaften tätig gewesen und hatte sich durch die Gelegen­heit zu Freifahrten leidenschaftlich an das Bahnfahren gewöhnt. Noch bis in die letzten Lebensjahre hinein war davon ein Rest lebendig ge­blieben. Sobald das Frühjahr hervorkam, mußte er unbedingt nach Italien reisen. Das geschah - stets nach der Riviera, vor allem Nizza -regelmäßig mit großem Aufgebot: Wirtschafterin und mindestens eine Schwiegertochter begleiteten ihn. Der Kampf der Schwiegertöchter um diesen Genuß bildete den Gegenstand vieler, wenig wohlwollen- der Familienkommentare. Der Großvater Ist dabei angeblich stark dem Argument der Schönheit zugänglich gewesen, was man ihm kaum übelnehmen kann. Es gab Begünstigte und Benachteiligte da­bei, und dies Thema vermochte viele Leidenschaften und Verstim­mungen in der lebhaften Diskussionen nicht abgeneigten Familie wachzurufen. In praxi muß der Genuß zuletzt mäßig gewesen sein, vor allem für den Großvater selbst. Er wurde mühsam mit der Bahn im reservierten Abteil erster Klasse nach dem Süden in Bewegung ge­setzt und, am Ziel angelangt, schleunigst per Wagen ins Hotel gefah­ren, um sich dort erst einmal sterbenskrank ins Bett zu legen. Nach einigen Tagen konnte er dann wohl die eine oder andere Wagenfahrt unternehmen und sich an frühere Reisen mit größerer Behaglichkeit erinnern. Darüber hinaus ging es in der Regel nicht mehr, und in der Hauptsache war er auf sein Hotel beschränkt. Immerhin zeigt diese Reiseleidenschaft doch, wie zäh er an Lebensgewohnheiten festhielt und wie stark ursprünglich die vitalen Triebe bei ihm gewesen sein müssen.

Die Anekdoten, die über ihn im Umlauf waren, zeigen auch sonst eine Erscheinung, die wußte, was sie wollte und ihr eigenes Gepräge zu wahren verstand. Die große Kinderzahl hat ihn wohl nicht allzu­sehr bedrückt. Man pflegte sich in Halle von ihm zu erzählen, daß er in der Zerstreutheit selbst die eigenen Söhne nicht erkannt habe. Be­kannte Anekdoten, die über Theodor Mommsen kursieren - von dem alten Herrn, der einen weinenden Knaben auf der Straße trifft, ihn nach der Ursache seines Kummers fragt und wohlwollend, meint, das müsse er auch seinem Vater sagen, um tableau zu erfahren, daß er selbst dieser fragliche Herr sei -, wurden in Halle auch von ihm be­richtet, der meist den Namen des „Patriarchen" trug. Die Last der Kin­dererziehung ist fast ganz von, der Großmutter4 getragen worden, die sich in der Hingabe für die zwölf Kinder erschöpft hatte und dadurch frühzeitig schwer krank wurde. Nach den Erinnerungen meines eige­nen Vaters hat sie auch nie verwunden, daß der Umzug nach Halle sie von dem geliebten Lande entfernt und in die Stadt verbannt hatte. Zusammen mit Überlastung durch Geburten, Erziehung und Hausar­beit wurde sie schließlich durch die Schmerzen ihrer Alterskrankheit melancholisch. Nur schwache Gemüter haben sich freilich dadurch schrecken lassen, denn andere Naturen aus gesunden Familien haben jedenfalls nicht entfernt auch nur einen Teil dessen geleistet, was die­se ursprünglich feine und in ihrem Gemütsleben nach dem Ausweis ihrer schönen, tief empfundenen Gedichte empfindsame Frau gelei­stet hatte.

Uns späteren Enkelkindern wurde kaum mehr recht deutlich, wo­durch der Großvater die großen Erfolge seines Lebens erlangt hatte. Wir konnten nur noch sehr undeutlich spüren, daß er bei aller Eingesponnenheit in Arbeit und Lektüre ein überragend kluger Kopf gewe­sen sein mußte, auch wenn er sich um Einzelheiten des Lebens seiner großen Familie nicht mehr allzusehr kümmerte. Wenigstens klagte mein Vater, daß er und seine Brüder wenig persönliche Erziehung ge­spürt hätten, soweit nicht die Mutter diese zu geben vermochte. In seiner früheren Jugend, ehe allzu viel Kinder vorhanden waren und Beruf und Politik den Großvater allzusehr beanspruchten, war es aber doch wohl anders gewesen. Denn unser Vater berichtete auch von Reisen im eigenen Wagen, so einmal auf den Kamm des Riesengebir­ges, nach der alle Kinder in poetischer Form ihren Erlebnisbericht zur Kritik an den Großvater abliefern mußten. Denn wie er selbst ein aus­gezeichneter Redner war und nach der Art der ganzen Generation leicht improvisierte, schien er das auch von allen seinen Kindern als selbstverständlich zu verlangen. Familienfeiern wie die Goldene Hochzeit der Großeltern und die in meiner späteren Jugend langsam sich häufenden Hochzeiten der älteren Enkelkinder - meiner Vettern und vor allem Basen - bewiesen, daß dieses Erbe reichlich vorhan­den war. Etwa Onkel Wolfgang und Onkel Hans waren Künstler in dieser Art, die ohne Schwierigkeit jede Tischrede in improvisierten Versen zu halten vermochten. Die nächste Generation hatte in dieser Richtung schon viel Leichtigkeit und Neigung, sich nach außen zu zei­gen, verloren. Die Frage nach den geistigen Interessen meines Groß­vaters hat mich stets interessiert; sie sind mir aber stets im Nebel geblieben. Er war wohl wie ein Teil seiner Schicksals- und Zeitge­nossen - gerade der klügsten - nicht sehr geneigt, Religiöses und My­thisches gelten zu lassen. Was ihn früher in seiner Lektüre gefesselt hatte, schien in die Richtung eines handfesten und stark aufkläreri­schen Liberalismus zu deuten. Wenigstens berichtete mein Vater, daß der Macaulay in seinem Bücherschrank gestanden und offenbar eine große Rolle gespielt hatte. Allerdings war auch Carlyles Fried­rich der Große vorhanden gewesen - beide übrigens längst ver schwunden, als ich solchen Büchern nachzufragen begann. Aber die grundlegenden Überzeugungen wie die politische Parteizugehörig­keit hatten offenbar in der Richtung der liberalen Demokratie gele­gen, die am besten geeignet war, einem Mann seiner Herkunft den Aufstieg zu erleichtern.

Auf jeden Fall wirkte seine frühere Bedeutung in der Stärke nach, mit der sein Haus der Mittelpunkt seiner unablässig wachsenden Fa­milie blieb. Es war kein seltenes Ereignis, daß sich bei einem auswär­tigen Besuch gegen dreißig Menschen am Sonntag versammelten, die zum Kaffeetrinken und Abendessen dann immer willkommene und reichlich bewirtete Gäste waren. Allein in Halle wohnten zeitweise vier Familien seiner Söhne (Albert, Paul, Hans und Wolfgang) mit zahlreichen Kindern - zwischen sechs und zwei der einzelnen Fami­lien. Onkel Wolfgang und Tante Liese waren bei ihren Neffen und Nichten beliebt als Menschen, die sehr hübsch, lebensgewandt und lebensfroh waren, aber man sah sie auf Grund des Überganges zum Zweikindersystem doch mit leisem Mitleid an, obwohl kein Mensch ahnen konnte, wie schwer sie das Geschick einmal nach 1933 treffen sollte. In dieser großen Familie herrschte nicht allzu viel senti­mentale Zärtlichkeit. Dazu waren es zu viele. Vettern und Kusinen trafen sich auf dem Fuße einer gesunden Selbstverständlichkeit. Man gehörte eben einer großen Gruppe an und suchte sich aus dieser her­aus, was einem gefiel. Aber stets vorhanden war die Möglichkeit, sich in einer großen* Gemeinschaf t sicher geborgen zu fühlen und sich aus ihrem Kreise Menschen zu angenehmem Verkehr zu greifen. In unse­rer Jugend haben wir vor allem mit den „Mansfeldern", den Kindern meines Onkels Hans, in Halle zusammen gespielt, Freude und Kum­mer der Jugend geteilt und uns später bald getrennt, bald zeitweise wieder gefunden.

 

 

 

 

 

 

Lotte Wind     Wolfgang        Ria, diedie  Frau von (ihres Vetters) Hans Herzfeld

geb. Herzfeld                           in 2. Ehe wurde.

                                                      .                              

 

 

 

 

 Es konnte vorkommen, daß ein Vetter, den ich in der Jugend kaum gesehen hatte, wie Fritz Herzfeld5 aus Dresden, mir lange Jahre durch seinen Beruf als Kapellmeister und Musikschriftstel­ler auffiel und den Wunsch erweckte, ihn einmal näher kennen zu ler­nen, bis dies endlich in höherem Alter seit 1938 in Berlin Tatsache wurde, als er sein Furtwänglerbuch schrieb und im Begriff war, in der Philharmonie Fuß zu fassen. Andere Bekanntschaften erloschen zeit­weise schon in der Jugend unter Blitz und Donner. So waren wir jahrelang - besonders nach dem Tode unserer Mutter - viel im Gru-newald bei dem versonnen gelehrten Onkel Alexander, der jeden Neffen als erstes fragte, ob er Englisch könne oder wenigstens lerne, und bei seiner gefürchtet strengen Frau, Tante Klara. Diese letztere hat in unser Leben tief und einschneidend eingegriffen. Wir verdan­ken ihr die Bekanntschaft unseres Vaters mit meiner Stiefmutter Jo­hanna geb. Hagen. Die Verlobung fand in ihrem Hause statt. Wir wohnten bei ihr am Hochzeitstage und haben es ihr zu verdanken, daß wir nach dem Tode unserer Mutter rechtzeitig in eine strenge, aber auch einzigartig aufopfernde und gute Hand gekommen sind. Wenige Jahre später kam es zu einem ebenso tragischen wie überflüs­sigen Bruch. Mein Vetter Günther hatte zeitweise der Schule mehr Wi­derstand geleistet, als dieser den Eltern erwünscht war. Ehe er nach Burg bei Magdeburg kam, spielte er eine kurze Gastrolle auf dem Pä­dagogium in Halle. So kam ich mit ihm in der Latina zusammen. Das Verhältnis wurde schnell ziemlich eng, da wir damals beide literarisch schon stark interessiert waren. Bald fand aber meine Stiefmutter aus mir heute nicht mehr erinnerlichen Gründen, der Einfluß auf mich sei schlecht. Als Tante Klara durchreiste, kam es darüber zu einem erreg­ten Zusammenstoß, und eine alte Freundschaft, die auf Leben und Tod gebaut schien, erlosch für lange Zeit völlig. Ich selbst habe dafür nach dem Kriege gelegentlich mit meiner ältesten Kusine Maus wie­der Fühlung nehmen können, bin mehr als einmal auf lange Wochen um 1933 in ihrem Hause in der Lückhoffstraße zu Gast gewesen und schließlich nach meiner Übersiedlung von Dölau nach Berlin so dau­ernd bei ihr gewesen, daß ich nur mit größter Dankbarkeit an alles denken kann, was ich ihr und ihrer Familie in dieser Zeit verdanke, ganz zu schweigen von der Treue und Tapferkeit, mit der sie sich für mich während meiner Gefangenschaft 1943 einsetzte.

So lebten wir alle in einem breiten Rahmen, der das Gefühl einer vollendeten Sicherheit gab. Höhepunkte dieser Gemeinsamkeit, in denen man es doppelt empfand, einer großen Familie anzugehören, waren die Weihnachtstage. Jedes Jahr am 1. Feiertage erlebten wir halleschen Enkelkinder eine zweite Bescherung beim Großvater, eine Herrlichkeit, von der die meisten auswärtigen Vettern und Kusinen keine Ahnung hatten. Denn sie fing schon mit dem Wunschzettel an. Jedes Jahr wurde zwar gesagt, der Großvater stehe kurz vor dem Bankrott, wir müßten uns mäßigen. Wir wußten aber genau, daß das nicht so tragisch gemeint war und denjenigen, der sich danach richtete, die Hunde bissen, das heißt die anderen zuvorkamen. So wünschte man sich immer wieder ein Buch, das für daheim zu kost­spielig war oder nicht mehr untergebracht werden konnte, oder etwas Ähnliches, und konnte sicher sein, daß es einem am Festtage auch aufgebaut war. Schon vor dem Abendessen wurde in dem großen, saalähnlich langen Eßzimmer auf dem Martinsberg beim Glänze eines großen Tannenbaumes beschert. Es war ein Tisch für rund 30 bis 40 Personen; die Kleinsten mußten mit dem Kindertisch - „Katzen­tisch" - des Martinsberges vorliebnehmen, der nach Großvaters Tode lange bei uns in der Königsstraße stand und jetzt nach Leipzig in den Besitz von Edda übergegangen ist. Auf die Bescherung folgte ein Es­sen, dessen Bedeutung für die älteren Enkel kaum geringer war. Denn da der Großvater jeden Weihnachten von Kommerzienrat Bencke ein Fäßchen echten russischen Kaviar erhielt, gab es Kaviar­toasts, die für uns mit der Einführung in den Luxus der großen Welt gleichbedeutend waren. Freilich mußte man aufpassen, um bei der begrenzten Zahl der ausgegebenen Herrlichkeiten zu seinem Rechte zu kommen.

Bei allen diesen Gelegenheiten erschienen in wechselnder Zahl und Zusammensetzung auch durchreisende Verwandte von auswärts und brachten uns so das ganze Reichsgebiet in den Gesichtskreis, wohnte doch Onkel Robert mit seiner viel umschwärmten Tochter, der schönen Irmgard, in Metz, Onkel Willy in Thorn, Tante Hella und die Familie Falk in Wien, so daß der Kreis der Familie wirklich soweit reichte, wie die deutsche Sprache klang. Gelegentlich kam dann auch - mit berühmten Zuckermandeln als Geschenk - Tante Alwine aus Florenz zu Besuch, die eine sagenhafte Erbtante sein sollte. Sie hat schließlich den Kindern von Tante Klärchen ihr Vermögen ver­macht, nachdem meine Base Lotte vorher lange Jahre als Opferlamm zu Besuch in Florenz gewesen war. Finanziell war es eine Enttäu­schung, die kaum die Energie lohnte, mit der diese Aussicht in Ver­wandtenkreisen diskutiert und umstritten worden war. In der Vetternschar fanden sich immer genügend exotische Elemente, um dafür zu sorgen, daß die Entwicklung des Einzelnen nicht im Spieß­bürgerlichen stecken zu bleiben brauchte. Da waren die älteren Greifswalder Vettern: Ludwig, der durch einen Unglücksfall als Soldat in sein Bajonett gestürzt war; Gottfried, der hochmusikalisch war, meiner Erinnerung nach damals wie ein Zigeuner aussah und keiner war; Martin, der so aussah und starke Elemente davon in sich trug; zunächst berühmt dadurch, daß er jedes denkbare Fach studierte, mit atemberaubender Leichtigkeit seine Staatsexamina machte, um dann stets wieder den Beruf zu wechseln und schließlich in dem scheinbar prosaischen Handwerk des Patentanwalts zu enden. (Scheinbar dem Beruf der Klügsten in der jüngeren Generation, denn auch Franz und Freda haben damit offenbar gute Erfolge erzielt.) Man konnte noch nicht ahnen, daß er später nacheinander vier Frauen und von allen Familien und Kinder haben sollte; denn an sich gehörte er zu den kleinsten und zierlichsten der Familie, so daß man ihm trotz seiner Unruhe im Grunde nicht die dynamische Vitalität zutraute, die zu sei­nem Lebenslauf unzweifelhaft gehört hat. Auch er schriftstellerte und hat Märchen im Verlag von Herder, freilich unter dem Namen eines seiner Söhne, erscheinen lassen, während er vor 1933 sich zeitweise mit dem kühnen Gedanken trug, einen Galsworthyroman über die ei­gene Familie zu schreiben. Das Thema wäre verlockend genug gewe­sen, und er hatte auf jeden Fall einen Spritzer von Begabung in sich. Man denke sich aber ein solches Buch, das ungefähr 1933 erschienen wäre oder eben vorgelegen hätte. Neben möglichen -Projekten hat er auch stets eine große Anzahl von unmöglichen mit sich herumgetra­gen. Wie Willy in Dresden zu komponieren versuchte und auf diese Tätigkeit fast mehr Wert legen mochte als auf seine erfolgreiche Arzt­praxis, bemühte sich Martin, Operntexte zu schreiben, die nur das sachverständige Interesse seines leidenden Vetters Fritz erregen konnten. - Dagegen war in der Jugend ein immerhin leise Aufregung erregender Fall der meines Vetters Bernhard Schulze, der, obwohl von Natur stark stotternd und dadurch auf das schwerste gehemmt, diesen Fehler weit genug überwand, um später Schauspieler und zeit­weise sogar Spielleiter in Hamburg zu werden. Schon mit etwa sech­zehn Jahren konnte er auf dem Martinsberg im Kreise der skeptisch bleibenden Onkel eine erste Talentprobe ablegen. Er wählte, wenn ich nicht irre, den Monolog des Orestes aus Goethes Iphigenie und hat damit auf mich keinen besonderen Eindruck gemacht. Freilich hat mich damals auch mein Vater schon gelegentlich getadelt, ich schiene zum geistigen Hochmut zu neigen und lasse es mir zu deutlich mer­ken, wenn ich etwas besser zu wissen glaube als andere. Er hat damit recht gehabt und gewisse „professorale" Neigungen frühzeitig be­kämpft. Wenigstens ging es mir in der Schule ähnlich, wo ich bis zum Abitur im Geschichtsunterricht niemals ganz den Drang habe erstik-ken können, meinen Lehrer bei wirklichen oder vermeintlichen Irrtü­mern zu korrigieren. Heute bin ich geneigt anzunehmen, daß die vermeintlichen Irrtümer wohl überwogen haben werden, soweit es sich nicht um belanglose Versehen handelte. Denn mein Lehrer Herold hatte mit einer soliden Dissertation über den Bauernkrieg pro­moviert, und es war höchst unwahrscheinlich, daß ich ihn trotz aus­gedehnter Lektüre so früh überholt haben sollte. Mit der Lebhaftigkeit der Familie hat sich doch wohl auch bei mir frühzeitig der in ihr stark vorhandene Zug zur Kritik ausgeprägt, und mein frommer und guter Vater, der an dieser negativen Familieneigenschaft vielleicht am we­nigsten beteiligt war, hat sicher recht gehabt, wenn er frühzeitig ge­gen die hierin liegende Gefahr ankämpfte.

 

 

 

 

4 Marie Klementine Herzfeld (1830-1900), geb. Wüsthoff, entstammte einer Familie von Rittergutsbesitzern, Chirurgen, Handwerkern und Pastoren, die über Schlesien, Kolberg und Mecklenburg bis ins ausgehende  17. Jahrhundert zurückzuverfolgen sind.

5 Friedrich Herzfeld (1897-1967), Musikschrifr.steller und Kapellmeister in Aachen, Dresden und Freiburg, besonders als Mozartdirigent hervorgetreten, jahrelang Presse­chef der Berliner Philharmoniker, Verfasser zahlreicher Bücher (Du und die Musik, Magie des Taktstocks, Musica nova u, a. m. und biographischer Arbeiten, so über Fischer-Dieskau, Karajan, Elly Ney, Rudolf Schock, I. Strawinsky, Furtwängler u. a.).

 

 

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Aus der nachstehenden  Todesanzeige werden die verwandtschaftlichen Beziehungen in der Familie Herzfeld besonders  deutlich.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 Gestern Abend entschlief sanft nach einem arbeits- und segensreichen Leben unser lieber Vater, Großvater und Urgroßvater, der

Geheime Justizrat Ludwig Herzfeld

Ehrenbürger der Städte Sprottau und Halle im 92. Lebensjahre.

Halle a. S., den 25. April 1911. Robert Herzfeld, König-1. Baurat und Frau Hertha geb. Wentzlaff

Ernst Herzfeld, Irmgard Herzfeld Heinrich Herzfeld, Landgerichtsrat und Frau Therese geb. Triebel

Rechtsanwalt Ludwig- Herzfeld, Dr. Martin Herzfeld,  Gottlieb, Maria, Elisabeth, Enno Herzfeld

Albert Herzfeld, Justizrat und Frau Anna geb. Poppe

Annemarie Petz, Dorothee, Heinrich, Ludwig Herzfeld,

Hauptmannauditor Franz Petz, Dr. Carl Schober und ein Urenkel

Dr. Alexander Herzfeld, Prof., Geh. Regierungsrat und Frau Clara

geb. Kieschke

Dr. Alexander Herzfeld, Clementine Bartens, Eleonore Wittich, Günther, Franz Ht ; reld, Dr. Albert Bartens,  Dr. Herman Wittich und zwei Urenkel

Dr. Paul Herzfeld, Sanitätsrat und Frau Hanna geb. Hagen

Hans, Eberhard, Werner, Ilse, Karl, Emma Herzfeld

Hans Herzfeld, Ingenieur und Frau Clara geb. Görsch

Wolfgang-, Charlotte, Marie Herzfeld

Frau Marie Triebel geb. Herzfeld Geheimer Bergrat Julius Triebel

Dr. Walter Triebel, Margarete Klaften

Dr. Walter Herzfeld, prakt. Arzt und Frau Käthe geb. Hermann

Helene, Willy, Fritz, Hans, Alfred Herzfeld

Wolfgang Herzfeld, Rechtsanwalt und Frau Elise geb. Spitzbarth

Fritz, Barbara Herzfeld

Dr. Wilhelm Herzfeld, Fabrikbesitzer und Frau Maria geb. Klein Margarete Schulze geb. Herzfeld Dr. Bernhard Schulze, Rechtsanwalt

Bernhard, Margarete, Renate, Erich Schulze.

Die Beerdigung findet Freitag den 28. April Nachm. 3 Uhr von der Kapelle des Nordfriedhofes aus statt.

 



1 Reinhold Joachim Herzfeld, geb. 25.Mai 1914 in Dresden, Arzt, zuletzt wohnhaft in Wiesbaden, Steckelbargstr.29. Er starb am  3.Mai 1990.

2 Wolfgang Herzfeld (Hrsg.), Familienbuch der Familie Herzfeld, Halle/S. 1929, S.33. Die meisten der hier aufgeführten Lebens­daten sind diesem Buch entnommen

3 Ich beziehe mich auf Ausführungen, von Elisabeth Herzfeld gegenüber ihrer Nichte Gudrun Kliewe.. Elisabeth,  geb. 22.März 1890, war als Missionsärztin der deutschen Mohammedaner Mission nur unterbrochen  durch den 2.Weltkrieg in Assuan, Oberägypten tätig..

 

                                                                                                                                                                                                                                            

 

4 Charlotte Triebel

5 Ludwig Gustav Herzfeld, geb. am 8.Aug.1888 in Halle a.S. ,Ing., gefallen als Leutnant bei Tilloy, nördlich Cambray, am l. .Okt. 1918. Ludwig war ein Sohn von Albert Herzfeld.

 

6 Vgl. Anm.    im Ersten Teil.

 

7 Vgl. Karl Ludwig, geb. am 28. März 1904 in Halle, Dipl.-Ing für

Maschinenbau  Sohn aus der zweiten Ehe von Paul Herzfeld mit Hanna Hagen, gest. 26. Dez. 1988 in Vellmar..

8 Luise, die Halbschwester des alten Ludwig, geb.20.4.1833, ver­heiratet mit William Falk in Wien; vgl. oben  S. 120ff.

 

9 ) Der Mann von Luises Schwester Ida (geb. 25.4.1839 in Guhrau), Leopold Oberwarth,geb.16.8.1829, gest. 23.5.1904 in Berlin

10 Tochter von Luises Tochter Hedwig (verh. Pick). Lilly war mit 1Benkö' dann in Berlin verheiratet

11 Walter Julius Triebel, Sohn des Julius Triebel und seiner Ehe­frau Marie (Mietze) geb. Herzfeld, geb. am 21.Dez.1882 zu Grube von der Heydt bei Saarbrücken, Dr. jur. Rechtsanwalt in Berlin. In erster Ehe verheiratet mit Margarete geb.Klaften. Seit März 1929 verh. mit Margarete geb. Heine.

 

12 Enno Herzfeld, der jüngste Bruder des M.artin, geb. 10.Jan. 1894. Dr.med., zuletzt wohnhaft in Hüllhorst/Westf., wo er am  3. Februar 1984  kurz nach seinem 90.Geburtstag starb. Seine Frau Ilse geb. Bank­witz wurde am 20.Sept. 1903 in Sonnenwalde,geboren, sie starb... In seinem Nachlaß fanden sich, die in dieser Familiengeschichte veröffentlichen Briefe, die mir von seinen Töchtern Ilsemarie, geb. 10.April 1927 und Anne, geb.18. 7.1934,,zur Verfügung gestellt wurden.

 

13 Siegfried Beisert, geb. 9.Okt. 1869 in Kosten, gest.5.Nov.1918 in Halle a.S., Bergassessor, Syndikus des Mitteid. Braunkohlen-Industrie-Vereins, verh. mit Elisabeth geb. Hoppe, Tochter des Geh.Bergrats Prof. Oskar Hoppe in Clausthal. Siegfried war ein Sohn von Marie Clementine Herzfelds (geb.Wüsthoff) Schwester Agnes, geb.24.Juli 1835 in Obergorpe, gest.24.März 1910 in Halle a.S., verehelicht mit Robert Beisert, geb.27.März 1833 in Sprottau, Reichs- u. Landtagsabgeordneter, gest. im März 1929 in Berlin.

 

14 Julius Alexander, Sohn des Alexander Leopold Herzfeld, geb. 23.Juli 1886 in Berlin, Dr.jur., Rechtsanwalt  u. Notar, gest... Professor für Wasserrecht , gest. ...in Berlin.

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15 Paul Fritz , Sohn von Paul Triebel.

 

16 Ida Oberwarth  geb, Herzfeld (geb*25.4.1839 starb am 7.5.1905 in Berlin. Sie ist zusammen mit ihrem Mann auf dem jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee beerdigt.

17 Hans Jürgen(Hans) Beisert, geb. S.Juni 1905, studierte später in Göttingen Medizin.

 

19 Alwine Herzfeld, eine Halbschwester des alten Ludwig, geb.

8.Juli 1828 in Guhrau; später Sprachlehrerin in Florenz, dort gest. 12.Okt. 1919. Vgl. oben.

20 Robert Jacob Herzfeld, ältester Sohn von Ludwig, Garnison-Baurat, Inh. preuß. und bayer. Orden, geb. am 8. Aug. 1850 zu Sprottau, gest. arn 4. Jan. 1920 zu MetzVerh. mit Hertha geb. Wenzlaff, vgl.Anm. 43.

 

21Margarethe Henriette Wilhelmine Emilie (Grete), eine Tochter von Ludwig Herzfeld, geb. 24. Nov. 1868 zu Sprottau, verhei­ratet mit Bernhard Schulze, Rechtsanwalt und Notar in Köpenick, geb. 15. Febr. 1861 in Calbe a.S., gest. 29. Juni 1928 in Köpenick. Die Ehe wurde am 20. Jan. 1890 in Halle geschlossen und im Februar 1912 geschieden. Grete lebte in Blankenburg a. Harz; sie starb 1942 nach einer Zwangseinweisung in ein Altersh

22 Erich Hellmuth Schulze Wüsthoff, Kammergerichtsreferendar in Berlin, geb. am I.April 1903     in Köpenick, gest. 12. Sept.1929 in Westerland (Sylt).

 

 

23 Heinrich Albert, geb. 19. Januar 1887 in Halle a.S., Rechts­anwalt und Notar in Halle; gest.22 . 5.1982.

24 Wolfgang Herzfeld, geb. 8. August 1890 in Berlin, Ingenieur in Bremen, gest.3.6.1986.

 

 

 

25 Hertha Herzfeld geb. Wenzlaff, Frau von Ludwigs ältestenSohn Robert Jacob Herzfeld, geb. am 12. Nov. 1863 in Berlin, verunglückte am 12. Juli 1924 während eines Kuraufenthalts in Bad Nenndorf und verstarb in derselben Nacht in einem Krankenhaus in Hannover.

26 Wolfgang Martin Herzfeld, geb. 31.Oktober 1865 zu Sprottau.

Justizrat, Rechtsanwalt und Notar in Halle a.S. Verfasser von wunderschönen Kindergeschichten, von Gedichten, Dramen und Operntexten sowie des Familienbuchs  von 1929. Er starb in Halle am 13.12.1942. Nach Auskunft der Tochter Bärbel starb er  am 17. Nov. 1940. Nach dem Friedhofsverzeichnis wurde er am 9. April 1941 auf dem Nordfriedhof neben seiner Mutter Marie Clementine und seiner Urgroßmutter Johanna geb. von Thile Thielenfeld beerdigt.

27 Elise Herzfeld geb. Spitzbarth, geb. 9. Juni 1873 zu Naumburg als Tochter des Domkämmerers Fritz Spitzbarth, Frau von Wolf­gang Martin Herzfeld, gest. 1964 in Linz .

28 . Generalauditor Gustav Heinrich Falk wurde am 25.Jan.1859als Sohn des William Falk und seiner Frau Luise geb. Herz­feld, einer Halbschwester des Ludwig Herzfeld, in Wien ge­boren. Er war verheiratet mit Helene Eugenia v. Milde (29.Jan.1887) und starb in Klagenfurt am 29. Aug. 1911.

 

29 zu Dorothea Herzfeld vgl. die Anmerkung oben.

30 Bei den Falkmadeln von denen im Text die Rede ist, handelt es sich um Johanna (*24.Jun.1891), Elisabeth (*26.Okt.1892) und Maria Helene Falk (*5.Okt.1894).Bei dem Bruder Albert Herzfelds, dem Onkel Annemaries, der auf dem Bahnhof erwartet wurde, handelt es .sich um Robert aus Metz, der mit seiner Frau Hertha hier eintraf.

 

 

31 Franz Petz, Mein Lebenslauf. Erinnerungen und Aufzeichnun­gen nach dem Leben und amtlichen Urkunden., Halle - Wien Weihnachten 1934.

32 Das von Albert Herzfeld, Wittekindstr. 11b, später Nr. 17, wurde bis zur Wiedervereinigung von Dr. Karllutz Schober, einem Sohn der Dore, und der Familie des Kinderarztes Hans Ludwig Herzfeld, einem Sohn des oben genannten Vetter Ludwig bewohnt.

33 Franz-Albert Josef Reinold, geb. am 14.Juli 1908 in Wien,

Jurist. Sohn von Franz Petz (geb. am 11.Jan.1867 in Kokaschitz in Böhmen, österreichischer Generalauditor) und Annemarie Felicitas geb. Herzfeld, geb. 26.Juni 1883 in Halle a.S. Er starb am 28.2.1983.

34 Ernst Alfred Herzfeld, geb. 25.April 1906 in Dresden, Studien­rat, Zeichenlehrer, lebte in Wiesbaden, wo er auch 1991 starb.

 

35 Helene Marie Therese (Leni), geb. in Dresden-Pieschen am 12. Ja­nuar 1894; verh. mit Hans Ziegenhals (geb. 3.Nov. 1896), Vor­standsmitglied der Norddeutschen Azetylen- u. Sauerstoffwerke in Hamburg, Prokurist der Elektrochemischen Gesellschaft m.b.H. in Hirschfelde bei Zittau.- Bei dem Vetter, der in Leni verliebt ist, dürfte es sich um Wolfgang Herzfeld, den Sohn von Hans Herzfeld handeln

36 Bernhard Heinrich Alexander Schulze, geb. am 1. Juli 1891 in Halle (Sohn des Bernhard Schulze und seiner Frau Margarethe geb. Herzfeld, vgl. Anm. 39), verheiratet mit Maja geb. Adels­heim (geb. 12. Bez. 1886 zu Teberhausen), lebte später als Dramaturg in Hamburg, dann in Berlin (Ost), wo er am 4.12.1978 starb.

 

37 Dr.med. Hermann Wittich, geb. am 17.Okt.1883, prakt. Arzt, stammte aus Riga, wohnte in den 20er Jahren in Berlin-Lichterfelde-Ost.

 

38 Clara Margarete Eleonore, genannt Lore, Tochter von Alexander Herzfeld (dem älteren), geb. am 22.Januar 1890 in Berlin-Charlottenburg

39 Bertha Marie Clementine Bartens, genannt Maus, die ältere

Schwester von Lore, geb. am 10.Sept. 1888 in Berlin-Charlotten­burg, verh. mit Dr. Albert Bartens, Schriftleiter der "Deut­schen Zuckerindustrie" u. Geschäftsführer der Internationalen Kommission zur Hebung des Zuckerverbrauchs

40 Bernhard Schulze, der Mann von Magreth Herzfeld, vgl. Anmerkungen im I.Teil.