LUDWIG HERZFELD

Der Lebensabend in Halle

Wie bereits im Vorwort des ersten Teils dieser Biographie er­wähnt, beschränkten sich zunächst meine Forschungen weitgehend auf die jüdischen Vorfahren unserer Familie Herzfeld, die mit den Vorfahren des "Stammvaters" Ludwig identisch sind. Deshalb schlossen auch meine früheren familiengeschichtlichen Darstellungen mit dem Tode Jacob Herzfelds im Jahre 1850 ab; so weit es mir möglich war, verfolgte ich dabei den Lebensweg seiner Kinder, insbesondere den seines Sohnes Ludwig bis zu dessen Eheschließung im Jahre 1849.

Meinem Vater Heinrich1, der inzwischen verstorben ist,  hatte ich die Bearbeitung des späteren Zeitraums überlassen, dabei hatten sich einige inhaltliche Überschneidungen mit den letzten Abschnitten meiner Darstellung und der Folge IV der Familienge­schichte meines Vaters ergeben, was einerseits darauf zurückzu­führen war, dass einige Ludwigs Geschwister und Vettern betreffen­den Dokumente, die ich meinem Vater zur Verfügung gestellt hatte, von ihm vorab publiziert wurden, andererseits hatte ich im Jahre 1989 bei den Verwandten in Hüllhorst/ Westf.2 zahlreiche Unter­lagen - insbesondere Briefe - gefunden, die tiefergehende Aus­sagen für den Zeitraum 1838 - 1849 ermöglichten. Es fanden sich auch Briefe meines Großvaters Martin 3 die er im Zeitraum von 1901 - 1911 von Halle, wo er studierte, bzw. von Dresden aus an seine Eltern 4 richtete. Sie bildeten den Grund­stock für den hier vorgelegten letzten Abschnitt der" Fragmente einer Biographie".

 

 

Ich habe mich entschlossen diese Form der Darstellung, die Briefe unkommentiert für sich selbst sprechen zu lassen, beizubehalten, auch wenn durch die Ergänzungen aus Lebenserinnerungen und anderen Quellen da und dort ein Bruch entstehen sollte.

Da nur wenige der herangezogenen Unterlagen sich ebenfalls im Be­sitz der zahlreichen Nachkommen Ludwig Herzfelds befinden werden, schien mir diese Darstellungsweise zusätzlich geboten. Hier ist auch der Grund dafür zu suchen, dass ich mich nicht entschließen konnte, zu lang erscheinende Passagen zu kürzen.

Bedanken möchte ich mich insbesondere bei den zahlreichen Verwandten, die mir Schrift- und Bildmaterial zur Verfügung stellten.

Werfen wir zunächst einen kurzen Blick auf die Hauptperson des Geschehens - Ludwig Herzfeld - und den Ort der Handlung in Halle -das Haus am Martinsberg No. 4.

In den genannten Unterlagen fanden sich von Ludwig Herzfeld zwei handschriftliche Entwürfe eines Lebenslaufs :

 

"Ich bin am 12.September 1819 von jüdischen Eltern in Guhrau gebo­ren; mein Vater war daselbst Kaufmann, er lebt gegenwärtig in Ber­lin; meine Mutter starb am 14.Oktober 1831. Bis dahin hatte ich die Bürgerschule in meiner Vaterstadt besucht, Michaelis 1832 kam ich aber auf das evangelische Gymnasium nach Glogau u. zwar in dessen dritte Klasse. Während des darauf folgenden 5jährigen Zeitraums machte ich die 3 obersten Klassen des Gymnasiums durch und bezog Michaelis 1837 mit dem Zeugnis der Reife die Universität Berlin, wo ich mich durch 3 Jahre den juristischen und kameralistischen Stu­dien widmete, u. für den Eintritt in den Staatsdienst entsprechenden Kollegien hörte. Zu Anfang des Jahres 1838, in meinem ersten Semester, umfasste ich die christliche Religion, von Ostern 1839 bis 1840 leistete ich meiner Militärpflicht bei dem Kgl Gardeschützenbataillon in Berlin genüge, gehöre auch noch gegenwärtig als Halbinvalide dem 2. Aufgebot der Landwehr an.

Michaelis 184O legte ich bei dem Kgl. Kammergericht das Auskultatorexamen ab, ließ mich an das hiesige Oberlandesgericht versetzen, u.

dem (Stadt) G zu Görlitz zur Beschäftigung überweisen, wo ich am 27. Oktober 1840 vereidigt und eingeführt. Nachdem ich dort bis zum 1. März 1842 als Auskultator gearbeitet, wurde ich an das hiesige OLG einberufen u. bestand hier nach einiger Vorbereitung die zweite zu erstattende Prüfung, wurde aber erst im Juni 1843 mit dem Dienstalter vom 28. Januar desselben Jahres von des Kgl. Justizministers Mühler Exellenz als Referendarius bestätigt. Drittens habe ich alle für das Referendarium vorgeschriebenen Stationen bei dem hiesigen OLG absolviert, bin auch länger als l Jahr bei dem hiesigen Kgl. ...StG, und außerdem viel mit Auctries beschäftigt gewesen, da ich vom lieben Gott mit Glücksgü­tern nicht gesegnet, mir nebenbei selbst mein Bares zu verdienen suchen mußte, hoffe jedoch, wenn es gelingt das dritte Examen glücklich zu bestehen, eine solche Stellung zu erreichen, welche, indem sie mich von Nahrungssorgen befreit, mir zugleich Gele­genheit gibt, mich als ein brauchbarer Diener des Staats u. auf­richtiger Freund des Vaterlandes zu bewähren.

Glogau    Juli 1845                                       

 

 

 

"Die Assessorenprüfung bestand er 1846 in Berlin, nahm aber dann auf ein Jahr Urlaub bei der Justizverwaltung, um bei der Verwal­tung der niederschlesischen Zweigbahn, welche über Sprottau und Sagan an die niederschlesische-märkische Bahn führt, zu arbeiten. Im Juni 1847 erhielt Ludwig Herzfeld das Kommissarium zur Verwal­tung der Rechtsanwaltsstelle in Sagan, deren Inhaber ab officio suspendiert war. Ostern 1849 wurde er Rechtsanwalt und Notar in Sprottau und von dort nach 28 Jahren, 1870, nach Halle versetzt. In Sprottau sowohl wie in Halle war er lange Zeit als Stadtver­ordneter tätig und beschäftigte sich viel mit Kommunalangelegenhei­ten. Ludwig Herzfeld ist nicht nur Ehrenbürger von Halle, sondern auch von Sprottau.

Seine Ehe mit Marie Clementine Wüsthoff, welche einem Rittergut in Sagan entstammte, war eine glückliche. Es war ihm vergönnt, im Jahre 1899 die goldene Hochzeit zu feiern, wobei 12 Kinder und 32 Enkel um das Jubelpaar versammelt waren. Gelegentlich des 60 jäh­rigen Amtsjubiläums wurde dem Jubilar vom Kaiser der Rote Adler­orden III. Klasse mit Schleife verliehen. Am 1. Januar 1900 schied Ludwig Herzfeld aus dem Stadtverordnetenkollegium und am 1. April aus dem Staatsdienst aus...

Herzfeld war durch die Rührigkeit, mit der er an den öffentlichen Dingen teilnahm, durch die Selbständigkeit und Unerschrockenheit, mit der er seine Überzeugung vertrat, in Halle eine populäre Per­sönlichkeit, die allgemeine Achtung genoss." 5

In den nachstehenden Briefen werden seine Kinder und zahlreiche der Enkel erwähnt; einen guten überblick, was die familiären Be­ziehungen anbelangt, vermittelt die im Anhang befindliche Todesan­zeige.

Das Haus Martinsberg 4 war und blieb bis zum Tode Ludwig Herzfelds im Jahre 1911 der Mittelpunkt dieser großen, weit verzweigten und bald auch weit verbreiteten Familie.6 "Es war kein seltenes Er­eignis, das sich bei einem auswärtigen Besuch gegen dreißig Men­schen am Sonntag versammelten, die zum Kaffeetrinken und Abendessen dann immer willkommene und reichlich bewirtete Gäste waren."7 

 

 

 

Das Haus, das nicht mehr im Besitze der Familie ist, hat zwei Weltkriege überdauert. Obwohl der Zahn insbesondere der sozia-litischen Zeit an ihm genagt hat, macht es noch heute einen im­posanten Eindruck.



 


Bis zur "Wende" im Jahre 1989 beherbergte es die Parteizentrale der ostdeutschen Liberaldemokraten (LDPD); der ehemalige Bundes­außenminister Genscher ging zu DDR Zeiten dort ein und aus. Zwischenzeitlich hatten die Musen  (Tanzschulen, Künstleragenturen u.a.) ihr Domizil darin aufgeschlagen; jetzt (2005) scheint es dem Verfall preisgegeben.

Aber zurück zur Jahrhundertwende. Aus Dore Schobers8 Lebens­erinnerungen erfahren wir etwas über das Haus, aber insbeson­dere den Garten.


 


 

 

"Zur Zeit meiner Geburt" (1884) " wohnten wir in der Schimmelstr. Nr. 15, wir hatten einen kleinen Garten, der an den großen Garten der Großeltern grenzte... Wir wohnten im Erdgeschoss und später auch noch im I. Stock..." Dann (1888) "zogen wir bald auch auf den Martinsberg 4 in das großelterliche Haus in das 2. Stockwerk, und brauchten, um in den großen Garten zu kommen, nicht mehr über die Gartenmauer zu klettern. Wir waren viel im Garten und unsere vie­len Onkels, Vaters Brüder, machten uns viel Unsinn vor... Die Großeltern hatten einen Kinderschlitten, in dem 4 Kinder sitzen konnten, darin fuhr uns Onkel Reinold im Garten und auch in den Anlagen an der Hagenstraße. In einem sehr kalten Winter bauten die Onkels ein Schneehaus im Hof, das abends erleuchtet wurde... Wir hatten im Garten Kletterstangen, Reck und Barren. An allem kletterten: und turnten wir viel... In der Mitte des Turnplatzes stand ein großer Birnbaum "Franzmadam". Beim Schaukeln kamen wir mit den Füßen in die Zweige eines anderen großen Birnbaumes "Eisen­hütchen", die schmeckten herrlich saftig, sahen aber ganz unschein­bar aus. Dann gab es noch einen Muskateller Birnbaum, einen Reine­claudenbaum, einen Gravensteiner und einen Napoleonsbirnbaum. Der trug riesige Birnen. Einmal waren so ungefähr 10 - 12 Enkelkinder im Garten versammelt und der Großvater Ludwig Herzfeld teilte ein oder zwei Birnen unter uns, so kostbar waren sie. Eigentlich sollten wir heimlich kein Obst essen, trotzdem taten wir es des öfteren... Jedes Kind bekam von der Großmutter einen Johannisbeerstrauch zuge­teilt, wahrscheinlich, damit wir nicht von den anderen naschen soll­ten! Es war wunderschön im Garten, im Frühling dufteten die frischen Blätter und die Blümchen und ich war sehr glücklich dort

Am Haus angebaut war eine große Veranda, dann ein Platz mit einem runden Springbrunnen, auf dessen Rand wir nicht rumlaufen durften, aber zum Leidwesen unserer Großeltern doch, wenn wir uns nicht ge­sehen glaubten, rumliefen. Von dem Platz ging nach der linken Seite ein Weg zwischen 2 Rasenplätzen, der Weg war mit Rosen eingefasst und wohl jedes Mal, wenn ich an roten Rosen rieche, steigt in mir die Erinnerung daran auf. Am Ende des Weges war die Pferdestallaube.

Eine aus eisernen Stangen, runde mit Wein bewachsene Laube. Hinter der Laube war wieder ein Rasenplatz und da stand der Pferdestall.

Großvater hatte ihn für seine früheren Mieter aus dem II. Stock, es waren meistens höhere Offiziere, bauen lassen. Wir krochen natürlich oft darin herum. - Nach der Seite zur Laube lag die Mistgrube und da hinaus sahen 2 Fenster vom Heuboden. Auf dem spielten wir be­sonders gern. Einmal war unser Vetter Walter Triebel (2 Jahre älter als ich) zu Besuch und mit ihm spielten wir natürlich auch auf dem Heuboden. Heinel und Ludwig wurden angeseilt und bei der "Feuersbrunst" zu den Fenstern über der Mistgrube hinaus gerettet. Glücklicherweise kam Vater in den Garten und verhinderte ein Un­glück. ..

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In der großen Veranda war im Fußboden ein viereckiges Loch, das mit einem passenden Deckel aus Dielenholz verschlossen war. Man konnte ihn aufheben und eine Zeitlang war es unser Lieblingsspiel, in dem unter dem Fußboden befindlichen Keller "zu Hause" usw. zu spielen, dann wurde es leider verboten. Viele jähre danach, ..., wurden die Söhne Kurt und Otto Bachmann des Hausmanns vom Martins­berge in eben diesem Keller verhaftet, wo sie ihre gestohlenen Waren verborgen gehalten und da selbst kampiert hatten. Einem Er­wachsenen ging aber der Fußboden am Lochrand nur bis an den Bauch, es war also kein schöner Aufenthaltsraum. ...

 

Bei den Großeltern, die im I. Stock Martinsberg 4 wohnten, gab es eine ganze Manege Bilderbücher, u.a. die Münchener Bilderbogen, Hans in allen Gassen, die sprechenden Tiere usw. Das schönste war für mich aber ein Guckkasten, durch den man, wie bei einem Stereos­kop, Bilder betrachten konnte. Da gab es nun wunderbare Bilder, z.B. die Champs Elysees, bunt mit leuchtenden Laternen, da musste man die Bilder gegen das Licht halten und das Innere einer spanischen Kirche, das war auch bunt. Ganz geheimnisvoll war es Weihnachten. Die große Schiebetür vom Esszimmer zur grünen Stube war geschlossen, allenfalls durfte man einmal durch das Schlüsselloch gucken... ".

An die Weihnachtsfeste am Martinsberg erinnerte sich  auch noch  im Jahre 1983 eine andere Enkeltochter Barbara Liefler (geb. Herzfeld):

„Wir lebten in Halle a.d. Saale. Meine Großeltern besaßen das Haus Martinsberg 2 (richtig Nr. 4), und es war üblich dass am 1. Weihnachtsfeiertag alle Familienangehörigen und auch Auswärtige immer zum Großvater kamen, um dort Weihnachten zu feiern. Und da erinnere ich mich an mein schönstes Werihnachten, dass ich je erlebt habe. Es waren sehr viele Cousinen und Cousins damals in Halle, und der große Familientisch, der sicher 4 Meter lang war, war bedeckt mit Geschenken: Und zwar bekamen alle Mädchen ein Puppenbett in blau und weiß mit Mousselinvorhängen und blauen Steppdecken, und alle Jungens bekamen eine Ritterburg. Der große Weihnachtsbaum und die hell erleuchtete Stube, das war ein imponierender Anblick, den ich bis heute nicht vergessen habe... Ich war vielleicht so – acht Jahre alt (1910).

Unser Großvater saß immer auf einem erhöhten Sitz neben einem Fenster, das in den Garten hinaussah. Daneben war eine Veranda, dadurch konnte man in den Garten gelangen. Der Großvater kannte uns; in der ersten Zeit, als ich ihn bewusst besuchte, erkannte er uns alle, aber wir hatten eigentlich keinen rechten Kontakt zu ihm –ich machte meinen Knicks und sagte: „Guten Tag!“ und damit Schluss. Nachher später, haben wir ihn öfter erwischt, dass er gelesen hat, und das Buch verkehrt rum gehalten hat. Mehr kann  ich persönlich nicht über den Großvater erzählen...

Die „Großmutter war vor meiner Geburt schon bereits gestorben, aber ich weiß von der Großmutter, wie man ja auch aus ihrem schöben Buch da sieht, dass sie sehr humorvoll war, und für alles eigentlich Verständnis hatte. So habe ich mir erzählen lassen, dass der großvater es hasste, dass seine Söhne alle Korpsstudenten  waren, sie kamen nämlich nach den Mensuren mit einem furchtbaren Gestank nach Desinfektionsmitteln (Karbol) nach Hause, und das konnte er um die Welt nicht leiden.

Und da rauten sich die Söhne samt ihren Korpsbrüdern erst abends nach Hause, und Großmutter öffnete das Klofenster und sie stiegen per Klofenster wieder in ihre Zimmer.

Dann ist mir bekannt, dass der Großvater etwas cholerisch war, dass er einmal beim Mittagessen auf den Tisch haute und sagte: „Warum ist an dem Kalbsbraten keine Zwiewbel?“ – „Aber Ludwig, an einen Kalbsbraten tut man doch keine Zwiebel!“ – „Zwiebel gehört überall dran, die passt zu allem!“ – Am nächsten Tag gab’s Apfelmus, und meine Großmutter kam mit einem Extra-Schüsselchen voll Apfelmus mit gerösteter Zwiebel daran, und der Großvater hat das, ohne einem Mucks zu machen, heruntergeschluckt.“

Über Ludwig Herzfelds cholerische Ader, weiß auch Dore Schober (Herzfeld) zu berichten:“ Ich will ich noch von dem Herzfeld-Großvater Ludwig er­zählen, daß er leicht zornig werden konnte, er wird wohl auch mit seinen 10 Jungens seine Not gehabt haben. Sie standen früh oft nicht pünktlich auf, er kam dann, um sie zu wecken, hatte möglicherweise einen Stock zum verdreschen in der Hand und sie versteckten sich hinter der Stubentür, es waren die "kleinen", Wolfgang, Willi und Reinold.

Unsere spätere Nachbarin Frau Fischer, deren Bruder ein Studienfreund von Vaters Bruder - Onkel Alexander - ge­wesen war, erzählte mir, die Familie H. hatte bei Tisch gesessen, es gab Klösse mit Heidelbeeren und einer der Sahne aß nicht anständig, da stand der Großvater eiligst auf, faßte die Hand des Sünders und schüttelte sie so, daß die auf dem Löffel befindlichen Heidelbeeren das Tischtuch bespritzten, dazu sagte er, ich habe es oft genug gesagt, Du sollst ... nicht tun. Da waren ja meist 12 und mehr Menschen zu Tisch und es gab unendlich viel zu tun, was für Fleisch und Gemüsemengen wurden verzehrt.

Ich erinnere mich der Familienfeste als eines großen Menschengewimmels, wo viel und laut gesprochen und gelacht wurde, auch immer gut gegessen.“

 

 

 

 

 

Der Großvater ist mit 72 Jahren zum ersten Mal nach Italien gereist (1891), und erhat bei seinen Reisen immer zwei Schwiegertöchter mitgenommen, und das waren meistens meine Mutter, (Elise geb. Spitzbarth)  und Käthchen aus Dresden. Diese beiden Schwägerinnen waren sehr eng miteinander verbunden und überhaupt die Familien aus Dresden, die Dresdner und die Familie Wolfgang Herzfeld, wir waren sehr eng miteinander verbunden [Walther und Wolfgang gehörten zu den jüngsten Söhnen].“

Das Verhältnis zu den Schwiegertöchtern spiegelt sich auch in den beiden Gedichten wider, die 1892 in dem von Reinhold Herzfeld, dem jüngsten Sohn redigierten Familienblatt erschienen:

 

 

 

Die böse Sieben

Geschrieben in Karlsbad am 5. und 6. Mai 1892.
                  von Ludwig Herzfeld

Von Haus und Hof vertrieben  Mein Weib hat mich ziehen lassen

Sitz ich am Sprudel allein!  Kuriret, wenn wahr sie spricht,

Wo sind sie alle geblieben,  Weil hier zu steil die Straßen,

Die Geister groß und klein.     Zu Hause die böse Gicht.

Die sonst mit ihrem wirren   Schreibt mir nicht "ne einzige Zeile

Disput bei Speis1 und Trank   Hat andere Dinge im Sinn,

Mich schonungslos umschwirren So daß vor langer Weile

In wissenschaftlichem Zank?     Ich Verse zu machen beginn!    

Nicht will ich, wie sie, besingen    

Der Schwiegermutter Schmerz                 

               Ich lasse die Blicke dringen        

In Schwiegervaters Herz;

Doch soll Niemanden betrüben

Der wilden Männer Streit,

Der weiblichen bösen Sieben

Sei dieses Lied geweiht!

Die Erste läßt pflanzen und graben,

Der Mann kauft italischen Wein,

Wächst der erst, dann müssen sie traben

Vom Weichselstrome zum Rhein.

Oh Hertha, mußt kürzer ihn halten

Den Gatten! Wenn, wie ' s ihm gefällt,

Er könnte schalten und walten      

Dann bleibt Dir kein Wirtschaftsgeld!    

Die zweite, Therese, sie flicket

Aus Röcken, so Großvater trug, 

     Die man für die Jungen ihr schicket

Der neuen Kleider genug.                        

Für Jungen, da mag es passiren

Doch Mädel sind auch noch da,

Die sollen nicht bloß spazieren

in Schürzen von Großmama!

 

Nun kommt an die Reihe die dritte, Die zieht ja die Kinder schön an Nach der Mode und neuestem Schnitte. Man hat sein Vergnügen daran! Doch ist sie von krieg'rischem Sinne: Ihr Schwägersleut', nehmt euch in Acht, Daß keiner den Streit je beginne, Von Anna seid ihr gemacht.

Die Vierte ist groß nicht gerathen

Im äußeren Körperbau, Doch zeigt sie in Worten und Thaten Die szepterführende Frau.

               Nur eins macht, Klara, mir Kummer:

           Daß Du den Hunger so stillst

    Und auf Mayonnaise vom Hummer       

      Durchaus nicht verzichten willst!

Zur Fünften muß jetzt ich mich wenden,        

Die nur aus Nachahmungstrieb

Sich gleiche Nahrung läßt spenden.

Wenn sie doch nicht bei dieser Kost blieb?!

Ach Klärchen, sei mir nicht böse!    

Es soll theilen des Mannes Geschick

Die Frau: Kommisbrot und Käse,                  

Mehr brauchte sonst Hans nicht ums Glück!     

fj .,'.; '-•••      . i a    ,-,.•••.--.-,;            '    -

Mariechen, was soll ich nun sagen

Der Sechsten,  Dir aus der Schaar

der Schwiegertöchter? Zu klagen

Ohn' Ursach hat seine Gefahr!

Doch warte, jetzt weiß ich's: Du zauderst

Zu lange und kommst dann zu spät.

 

Weil Du dich im Dunkeln verplauderst,

Und kalt wird das Hammelkott'let!

9                                                            

Es waren doch aber Sieben,

Die ich gefordert zum Streit!

Kein Pfeil ist f ür' s Käthel geblieben  

In meinem Köcher bereit!

Noch hat sie mich nicht gesehen,  

Die Siebente! Ist sie erst da,   

Dann wird ihr ein Licht aufgehen 

Über den Schwiegerpapa!

 

 

 

 

 

 

 

 

Antwort  auf "die böse Sieben". Gedicht von Marie Herzfeld, Pfingsten 1892.

Ja, diesmal hat's meinem Alten 

Der Sprudel wahrhaftig gethan!    

Greift der so ganz unvermittelt     

Die Schwiegertöchter mir an!     

Ihm fehlet mein ewiger Jammer;

Der Mensch ist Gewohnheitstier,  

Die Klage nach meinen Klagen,

Die bricht nun in Versen herfür.

Den Schloßberg kann ich nicht steigen

Da mir's an Athem gebricht.

Doch trink ich Mühlbrunnen zu Hause,

Hab' andre Genüsse nicht.

Mehr Briefe kann ich nicht schreiben

Es wäre auch arnicht gut.

Denn die Karlsbader Langeweile,

        Die kühlt Dir am besten das Blut.

So fall' ich denn auch auf Verse

Wenn voll auch mein Reim nicht klingt; 

Kein Schmerz ist's und auch nicht's "Böses"

Was heut1 mein Lied besingt

Und glaubt' mir' s, ich kenne ihn besser, 

Was immer auch spricht sein Mund     

Von der weiblichen "bösen Sieben",      

Sein Herz thut nicht's davon kund.    

Das Schelten des Schwiegervaters,
Es ist so bös nicht gemeint.
S'liegt etwas im Herzfeld' sehen Blute,
Vom Geiste, der stets verneint.
 Mich schilt er schon 40 Jahre

          Und drüber, ich bleibe still.

          Ich will euch nur jetzt erklären

          Was er eigentlich sagen will.

Die erste der Bräute von allen      

Die brachte uns Heinrich in's Haus

Es suchte der stille Denker

Wohlweislich die beste sich aus.

Therese, verstehst es zu schalten

Mit himmlisch" und irdischem Gut,     

Und steuerst mit fröhlichen Geistern     

Dein Schifflein mit tapferm Mut.

 

Mit Anna, - sie wohnt uns am nächsten –

Lieg im Krieg ich weder noch Streit

Auch giebt sie zuviel nicht auf's äußre. Doch Wissensdrang führet sie weit!

Stolz macht das auch Albert! War1 manche So eifrig dahinter, ich wett',  ';

Bei totalen Mondfinsternissen

Blieb kein einziges Kindlein im Bett!

Nun Hertha - Dich hat er ja milder

Als alle die ändern gekränkt

Auf Robert, von uns den verwöhnten

War die Spitze des Pfeiles gelenkt.

Was hilft es. Du mußt ihm doch kochen, Wie er's wünschet für seinen Leib;

Dein Vater hat oft gesprochen:

"Es lerne dienen das Weib!"

Die vierte - Du sagst ihr noch immer

Die Hummergeschichte in's Ohr?

Du hast es wohl ganz vergessen.

Daß Austern sie setzte Dir vor?

Und weiß sie das Scepter zu führen.

So ist das nur dienlich dem Mann,

Da Alexander ohn' Klara

Durchaus sich nicht helfen kann!

Und fünftens, das Klärchen, das stille,

Das laß mir, ich bitt' Dich, in Ruh1.

Kauft Hans sich 3 Eismaschinen,

Dann paßt auch der Hummer dazu.

Ahmt nach sie der Klara - Verschwenden,

Das lernt von dieser sie nicht

Wohl aber, wie man sich übet

In treuer Hausfrauenpflicht.

 

Mariechen, die sechste - nun wirklich

Du klügelst auch hier noch was aus

Um ihr's nur am Zeuge zu flicken,

Sie aber - sie macht sich nicht's draus Denn hat sie sich einmal verplaudert.

So holt sie es schnell wieder ein

Eh Paul um das Pünktchen getüftelt,

Da bringt sie zum Rollen den Stein.

 


Nun Käthel - wie wir es meinen,

Sie sagten's alle schon Dir –

Du Kind meiner Heimath - ich sehe

Ihr Bild im Geiste vor mir.

Als riefe ein Traum meiner Jugend

So wunderbar wird mir zu Sinn

Zur Heimath, zur alten vertrauten

Da zog es auch Waltern hin.

 

 

 

Feste, Jubiläen, Ehrungen, Verabschiedungen sind Zeichen der Vergegenwärtigung oder markieren Übergänge, janusköpfig dem Vergangenen auf der einen, auf der anderen Seite dem Zukünfti­gen zugewandt.

Die Goldene Hochzeit Ludwig Herzfelds und seiner Frau Marie Clementine geb. Wüsthoff sowie die Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Ludwig waren Abschluss und Neuanfang zugleich; so ist es er­laubt, dieses Ereignis an den Beginn des letzten Abschnitts von Ludwigs Biographie zu stellen.

Bereits 10 Jahre zuvor aus Anlass seines 50jährigen Dienstjubi­läums am 27. Oktober 1889 hatte die Stadt ihren verdienten Mit­bürger geehrt und sollte aus Anlass seiner goldenen Hochzeit er­neut einen Festakt, diesmal in noch größeren Rahmen, verbunden mit der Verleihung der Ehrenbürgerwürde, veranstalten. Am 10. Oktober 1899 stellte der Magistrat der Stadt Halle den Antrag:

"Die Stadtverordnetenversammlung wolle sich gefälligst damit ein­verstanden erklären, daß wir dem Stadtverordneten Herrn Justiz­rat Herzfeld am Tage seiner goldenen Hochzeit das Ehrenbürger­recht verleihen, auch wolle dieselbe  zur künstlerischen Gestal­tung des Ehrenbürgerbriefes die Summe von 300 Mk aus dem Dispo­sitionsfonds beider städtischer Behörden bewilligen und eine gleiche Beglückwünschung des Jubilars zu seinem 60jährigen Amts­jubiläum, wie ihm von den städtischen Kollegien zu seinem 50jäh­rigen Jubiläum dargebracht wurde, genehmigen."

Verbunden mit den offiziellen Ehrungen der Kommune wurde dieser Tag festlich im Kreise der großen Familie begangen. Die Gäste­liste nennt die Namen der Angehörigen, die sich fast vollzählig um ihren "Patriarchen" scharten.

Bereits am "Tag vorher war schon viel Besuch da, und wir gingen mit einigen Vettern (Ludwig und Gottfried)9 auf den Martins­berg, da wurde uns nachgerufen: 'Da gehen die Nasenkönige1, wo­rüber wir mit dem Lachen gar nicht fertig wurden konnten."

Nasenkönig Gottfried um 1919

 

 

 

ndlich war der langerwartete Tag der 23. Oktober angebrochen. Die Perle am Saalestrande, das liebliche Bad Wittekind bei Halle a/S. lag- friedlich und still da, die grünen Anlagen und bewaldeten Hügel von der Herbst­sonne vergoldet, als um die elfte Morgenstunde von allen Seiten die Kinder, die Enkel und die Anverwandten unseres Jubelpaares herbei­strömten. Ist es nicht wundeebar, sagte neben mir dahinschreitend, die Schwester der .Mutter, die Tante Agnes dass auch heute wieder, wie damals vor 50 Jahren in der schlesischen Heimath in Obergorpe, die Sonne das Brautpaar so gar freundlich anlacht. Was war das damals für ein Leben in dem sonst so stillen Dorfe und wie froh war das Brautpaar als nach Ueberwindung so mancher Hindernisse der Hochzeitstag so herrlich schön anbrach. Nun sie sind beide poetisch veranlagte Naturen und die Poesie hat ihnen über Manches hinweggeholfen. Schwester Marie war der Liebling aller in Obergorpe Ich weiss es noch wie heut, als sie nach der Hochzeit in den Reisewagen einstiegen, der sie nach Sprottau bringen sollte. Nicht nur wir, auch das ganze Dort stand um den Wagen und manche Abschiedsthräne wurde verstohlen von den gebrannten Wangen der guten Oberkörper Dorfgenossen abgewischt. Als der Wagen dann am nahen Walde anlangte tönte dem jungen Paare aus dem Waldesgrün mit mächtiger Stimme noch ein gar anmuthiges Abschiedslied entgegen. Kossmehl war's, ein Studiengenosse des Vaters, ein streitbarer Gottesgelahrter, der von Gott mit mächtiger Stimme und Gestalt begabte; im Buschwerk stehend liess er aus dem Grün das herrliche Lied hervorschauen:

Wach auf du goldnes Morgenrotn und grüsse meine Braut. Dass sie des Himmels Seligkeit in Rosenwölkchcn schaut, Wach auf. wach auf. und grüsse meine Braut. Ihr Frühlingsrosen. geht zu  ihr. ihr Engelsköpfchen, (liegt, Dass ihr die Well, wenn sie erwacht, in Rosenschimmer liegt. Auch du mein Herz, flieg hin zu ihr, sag ihr in diesem Lied. Wie all mein Glück an diesem Tag in Rosen aufgeblüht.

So sprach die Tante Agnes.

In Rosenwölkchen hat die Mutter die Welt freilich nicht nur geschaut, oft erschien sie ihr recht dunkel bewölkt, doch die Macht der Liebe hat selbst die schwersten Gewitterwolken immer wieder vertrieben und die Arbeit und die rasche Folge der für die Familie bedeutsamen Ereignisse, liess die lange Zeit schnell ver­gehen, zehn Jahre sind's nun her, als wir uns am 7ojährigen Geburtstage des Vaters alle zusammengefunden hatten. Damals war auch die Mutter noch in ihrer alten Rüstigkeit, schaffend in Küche und Keller. Wir hatten uns alle das Versprechen gegeben zur goldenen Hochzeit sehen wir uns wieder und nun sollten wir 10 Söhne mit unseren Frauen und die 2 Schwestern mit ihren Männern die Eltern endlich wirklich wieder einmal sehen und auch die Enkel 30 an der Zahl, sollten bei dem Feste nicht fehlen.

Die Herzfeld's, von denen Jeder dem Anderen gern das Sprichwort: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold, entgegenhält, Keiner dieses Sprichwort befolgt; so gesprächig sie alle sind, so schweigsam sind sie im brieflichen Verkehr. Jetzt aber, einige Wochen vor dem goldenen Hochzeitstage, flogen viele Briefe hin und her, der Vater schrieb an alle: „Kommt nur, kommt, das Reisegeld bezahle ich, und alle kamen und alle nahmen. Die Schwiegertöchter in grosser Aufregung, ob helle oder dunkle Toiletten, ob Gesellschaftsrock oder Frack dem Feste angemessen, wurden plötzlich von Liebe zu einander ergriffen und fingen eifrig an sehr wichtige Briefe zu wechseln, ohne dass über die zweifelhaften, schwierigen Fragen eine Einigung erzielt

*                                                             < i                                            O                                                            

worden wäre. Die Töchter, Mieze und Grete, übernahmen es, die Vorbereitungen zu dem Feste zu treffen und reisten 8 Tage vorher nach Halle, die Mutter, um dem Trubel zu entgehen, zog nach Wittekind, dort sollte ja auch im Kursaal die Hauptfeier stattfinden und zwar am Montag, den .23. Oktober.

 

Am Sonnabend vorher waren die meisten auswärtigen Gäste in Halle angelangt. Es kamen die Schwestern des Vaters, Tante Alwine aus Florenz, Tante Louise aus Wien, Tante Ida aus Berlin, die Schwester der Mutter, Tante Agnes aus Neu-Strelitz, nebst ihrer Tochter Marianne und deren Mann George Buff, der junge lustige Vetter Friedel Bleisert aus Klausthal, der ebenso vergnügte Vetter Georg Herzfeld mit seiner Frau aus Berlin. Aus den verschiedensten Theilen Deutschlands, von Nord, Ost, West und Süd eilten wir Kinder und Kindeskinder herbei. Aus Lothringen (Metz) Robert mit Frau und 2 Kindern, aus Pommern (Greifswald) Heinrich mit .) Kindern (Frau musste leider wegen 2 kranker Kinder zu Haus bleiben), aus Berlin Alexander mit Frau und $ Kindern, aus dem bayerischen Schwabenlande (Augsburg) Hans mit Frau und 2 Kindern, aus Schlesien (Ratibor) Miezes Mann mit einem Sohne, aus Sachsen (Pieschen-Dresden) Walther mit Frau und 3 Kindern, aus Westpreussen (Thorn) der behäbige Fabrikant und Junggeselle Willi, aus der Mark Brandenburg (Köpenick) Gretens Mann mit 3 Kindern. Empfangen wurden wir aufs liebevollste von den Eltern und den Hallischen Geschwistern, also von Albert mit seiner Frau und j Kindern, von Paul nebst Frau und 3 Kindern und von Wolfgang und Frau mit nur einem Kind (!) und von Reinold. noch Student, soweit es seine eifrigen Studien zuliessen.

Wir fanden den Vater in gewohnter Rüstigkeit vor, aber die schwergeprüfte Mutter hatte zu unserem Schmerz viel an der schlimmen Krankheit, der Gicht, zu leiden, sodass verabredet wurde, dass sie uns erst am Montag in Wittekind begrüsse, schon um eine zu grosse geistige Aufregung von ihr abzuwenden, nur einzelne fuhren auf ihren Wunsch hinaus zu ihr, um sie zu sprechen.

Am Sonntag früh um 10 Uhr versammelten wir uns alle im Heimathshause auf dem Martinsberge. In Haus und Garten, einst durch uns alle frohbelebt, vereinsamt jetzt, sollte wieder einmal das frohe Leben erwachen und munter, wie's unsere Art ist, Rede und Gegenrede hin und hinüberfliegen, doch in die Zimmer eintretend, ergriff uns schon die Festesstimmung und stimmte uns milder. Die grüne Stube war festlich geschmückt durch herrliche und kostbare Blumenkörbe, von Freunden und Nachbarn gespendet. In der weissen Stube stand ein herrlicher, riesenhafter Phönix, eine Gabe der Kollegen des Vaters zum heutigen Tage, dem 6ojährigen Dienstjubiläum des Vaters.

Wenn wir bei der Begrüssung auch alle erstaunt bemerkten, dass wir ernste Männer geworden und dass sich fast bei Jedem weisse Silberfäden durch die dunklen Haare mischten, so belebte uns doch alle die Freude, uns so einmüthig an dieser Stätte zur Feier der Eltern zusammenzufinden, die Gewissheit, dass wir alle, die Hoffnung der Eltern erfüllend, zu geachteten Männern erwachsen waren.

Um 11 Uhr ertönte scharf die Klingel im Entree, die Frauen wurden eilig in das grosse Speisezimmer verbannt, wir Männer empfingen hingegen in der weissen Stube den Vorstand der Anwaltskammer des Oberlandsgerichtes Naumburg, denn dieser erschien jetzt, um eine Adresse zu überbringen. Die Deputation bestand aus 12 Herren (unter welchen sich übrigens auch unser Bruder Albert befand), der Vor­sitzende, Herr Geh. Justizrath Steinbach, verlas die Adresse wie folgt:

Herrn

Justizrath Ludwig Herzfeld I,

.    Hallo u. S. Hochgeehrter Herr  Justizrath!

Ein zweiter Ehrentag, noch seltener und bedeutungsvoller als der vor 10 Jahren begangne, ist mit dem heutigen Tage für Sie angebrochen. Auf 60 Jahre ehrenvoller juristischer Laufbahn, davon mehr als $o Jahre der Advokatur und des Notariats blicken Sie heute zurück und mit seltener Rüstigkeit walten Sie durch Gottes Gnade noch heute Ihres Berufes.

 

 

 

Zu den vielen Ehren, die Ihnen der heutige Tag, fast im Zusammentreffen mit den Gedenktagen Ihres glücklichen Familienlebens und Ihres öffentlichen Wirkens brachte, wollen Sie freundlichst auch den Festesgruss Ihrer Collegen entgegennehmen. Im Namen der Anwaltskammer des Oberlandesgerichtsbezirks Naumburg a. S. bringen wir Ihnen die herzlichsten Glückwünsche zu Ihrem 60 jährigen Dienstjubiläum dar: wir betrachten Ihren heutigen Ehrentag als einen Festtag für die gesammte Anwaltsschaft.

Nicht nur waren Sie uns im eigenen Berufe ein mustergültiges Vorbild eines Anwalts und Notars , Sie haben auch als langjähriges Mitglied unseres Kammer-Vorstandes dazu mitgewirkt, ehrenhaften Sinn in unserm Stande zu fördern.

Wir danken Ihnen dafür insbesondere, nehmen an den Freuden und Ehren­bezeigungen, die einem Mitgliede unseres Standes in diesen Tagen zu Theil wurden, aufrichtigen Antheil und wünschen von ganzem Herzen, dass Sie noch lange mit gleicher Kraft und Frische unserm Stande erhalten bleiben mögen.

Magdeburg, 2/. Oktober

Der Vorstand  der Anwaltskammer.

Gez. :    Steinbach.    Bennecke.    Jolkinmitt.    Trautmann.    A. Herzfeld.    Franne.    Kossinna. Herrmann.    Huschke.    Kortum.    Bindewald.    Saal.

Der Vater antwortete mit kräftiger Stimme etwa Folgendes, dass er wohl wisse, dass gerade in seinem Stande nicht jedem das Glück beschieden sei, solch herzerhebenden Lohn für treue Arbeit zu erlangen, sein Dank gegen die Kollegen und das gütige Schicksal sei daher ein unbegrenzter.

Die Herren kamen alle von einer langen geschäftlichen Sitzung und so sprachen sie mit sichtlich ausgezeichnetem Appetit dem Frühstück zu, welches nun aufgetragen wurde. (Brödchen mit Caviar, Sardellenbutter, Zunge, Lachs, Rothwein, Weisswein, Champagner.) Indesseh bemerkten wir nebenan ein murmelndes, sonderbares Geräusch, welches mehr und mehr anschwoll, gleich dem lauten Tönen des wilden Bergbaches und wir erkannten, dass das Zusammenwirken der silberhellen Stimmen der ver­bannten Frauen und Tanten die Ursache des Geräusches sei, vergeblich schob der, umsichtige Wolfgang die trennende Schiebethür um einen engen Spalt auf und - ermahnte zur Ruhe, machtlos verklang seine Stimme im stürmischen Chaos der ent-. fesselten Elemente. Als uns die Deputation in bester Stimmung verlassen hatte, kamen unsere Damen zu uns in die grüne und weisse Stube. Als gewissenhafter Chronist muss ich noch anführen, dass Papa mit dem roten Adlerorden geschmückt war und Robert mit einem bayerischen Orden. Es erhob sich ein heftiger Streit darüber, welcher Orden der höhere wäre und wegen welcher Verdienste um den bayerischen Staat Robert den Orden bekommen habe, es wurde jedoch festgestellt, dass er in der That sehr grosse Verdienste um Bayern haben müsse, auch habe er schon stets für dieses Land eine sehr starke Sympathie gezeigt und die bayerischen Biere den anderen vorgezogen.

Der Abend vereinigte uns alle wieder auf dem Martinsbergc und auch die Enkelschaar war vollzählig zur Stelle, das kindlich frohe Treiben der Enkel belebte den Grossvater und uns alle, bald jedoch versammelte sich die Enkelschaar um den Grossvater, welcher in einem Sessel in der weissen Stube sass. Die Enkel lagerten sich vor ihm auf dem Fussboden, wir ändern umstanden sie, und Albert erzählte wie früher, auf der Tischkante sitzend, Geschichten, oft vom hellen Jubel der Kinder unter­brochen; Wolfgang, Mieze und Hans lösten ihn im Geschichtenerzählen ab. Gross und Klein lauschte mit gespannter Aufmerksamkeit, bis Mieze und Grete zum Essen riefen. In der grossen Essstube hatten die Schwestern ein kaltes Büffet angerichtet, welchem allseitig eifrig zugesprochen wurde, kein Misston störte die lebhafte Unter­haltung der einzelnen Gruppen, bis der unselige Kampf wieder ausbrach, ob morgen helle oder dunkle Toiletten getragen werden sollten und unabsehbar wäre die Trag­weite dieses hartnäckigen Streites gewesen, wenn der welterfahrene Grossvatcr nicht, die drohende Gefahr klaren Blicks erkennend, sich bereit erklärt hätte, den Schwieger­töchtern der dunklen Partei am nächsten Morgen helle seidene Blousen zu kaufen, da gaben die dunklen grossmütig nach. Lange noch blieben wir vereinigt und der Grossvater liess es sich nicht nehmen bis zuletzt aufzubleiben.

 

Wir gedachten auch der Anverwandten in der Ferne, so an Onkel Heinrich und Oskar in Amerika, an Therese in Greifswald und der anderen, die wir gern unter uns gesehen hatten.

Am nächsten Tage, dem Hochzeitstage, eilten wir, wie ich schon vorhin erzählte, mit unseren festlich geschmückten Frauen, Kindern und Tanten von Halle nach Wittekind und pünktlich waren wir alle um ll Uhr im Vorsaal zum Wittekinder Kursaal versammelt, wir Männer teils im Frack, teils im Gesellschaftsrock, unsere Damen alle in hellen Toiletten, denn der Grossvater hatte sein Wort gehalten, die Enkeltöchter alle in weissen Kleidern.

Doch wie herrlich war dieser Vorsaal geschmückt, eine Anzahl der farben­prächtigsten Blumenkörbe zierte die an den Wänden ringsherum aufgestellten Tische und immer neue und schönere wurden im Laufe des Vormittags gesendet. Zwei mit Guirlanden geschmückte Sessel standen inmitten eines anmutig angeordneten Gebüsches von Bäumen und Blattpflanzen. Ein riesenhafter, herrlicher Blumenkorb überstrahlte alle anderen, auf der weit herabfallenden, mächtigen roten Seidenschleife stand in goldenen Lettern: „Magistrat und Stadtverordnete der Stadt Halle a. S. der hochver­ehrten Frau Justizrat Herzfeld zum goldenen Hochzeitstage".

Während wir so weihevoll gestimmt im blumengeschmückten Festraum standen, schien die neugierige Sonne freundlich und hell durch die hohen Fenster, ihr Glanz

o             o                                                                                                                                                                                                                  '

erhöhte den Reiz des farbenprächtigen und eigenartigen Bildes, welches der Kranz unserer anmuthigen Damen, unserer rothbäckigen Kinder inmitten der Blumen darbot.

Indessen sass die Mutter über uns in ihrem Zimmer und liess diesen und jenen von uns heraufrufen, um mit ihm zu sprechen, wenn auch ihre Schmerzen nicht nachliessen, so war doch ihr Zustand ein solcher, dass sie zur Hauptfeier herunter­kommen wollte.

Felix Riede), neubestellter Pfarrer an der Marienkirche in Halle a. S. und Sohn des Herrn Commerzienrathes Riedel sollte nämlich das Paar einsegnen, doch standen dem Vater noch einige andere Ehrungen bevor.

Um 11 Uhr wurde dem Vater gemeldet, dass der Oberbürgermeister und die Stadtverordneten zu ihm kämen.

Mit der goldenen Amtskette angethan betrat. Herr Oberbürgermeister v. Staude in Begleitung des Stadtverordnetenvorstehers Herrn Dittenberger und des Herrn Commerzienrathes Bethke den Festraum und richtete sofort an den Vater, welcher vor ihm stand mit lauter Stimme eine überaus ehrende und herzliche Ansprache, zum Schluss den folgenden Ehrenbürgerbrief vorlesend.

E h r e n b ü r g e r b r i e f.

Wir der Magistrat zu Halle a. S. Urkunden und bekennen hiermit, dass wir im Einverständnis mit der mitunterzeichneten Stadtverordnetenversammlung kraft der uns gesetzlich zustehenden Befugniss beschlossen haben, dem Stadtverordneten

Herrn Justizrath   Ludwig Herzfeld

in Anerkennung des stets opferwilligen Gemeinsinnes, welchen derselbe viele Jahre hindurch in städtischen Ehrenämtern bethätigt, und in dankbarer Würdigung der grossen Verdienste, welche er sich im öffentlichen Bauwesen, in der Sparkassen- und Finanz­verwaltung und in vielen ändern wichtigen Aufgaben um die gedeihliche Entwicklung unserer Gemeinde erworben hat, das Ehrenbürgerrecht der Stadt Halle zu verleihen. Halle a. S., den 16. Oktober 1899.

Der Magistrat:                 Die  Stadtverordneten:
Gez.: Staude.    A". Holly.                                          W. Dittenberger.    Bethke.

Wir alle fühlten uns durch diese Auszeichnungen mit geehrt und als der Vater mit bewegter, aber fester Stimme erwiderte, dass seine Verdienste zwar über-

ö                       '                                                                                                                               

schätzt würden, dieser Tag aber, er spreche es offen aus, der schönste seines Lebens sei und als er uns aufforderte unser Glas zu ergreifen, als er rief: „Ein Hoch der arbeitsfreudigen Stadt Halle a. S.", da stimmten wir alle laut und freudig ein.

Die Herren'. von der Deputation und wir selbst sassen nun mit den Herren von der Deputation beim Frühstück, bei Wein und Champagner froh gestimmt bei­sammen, bis nach einiger Zeit eine Deputation des Corps Borussia erschien und der erste   Chargirte   in   markiger   Rede   dem   Vater   seinen   Dank   darbrachte,   dass sieben seiner   Söhne   die   Farben   der Borussia getragen und verfochten hätten,   ihm und der Mutter ihren Glückwunsch darbringend und dem Vater den Ehrentitel „Preussenvater" verleihend.    Da   geschah   etwas   unerhörtes,   der   Vater,   der   so   oft,   wenn   auch wohl weniger   aus Ueberzeugung als zur Bekämpfung überströmender Jugend und Kampfes . Lust   den   Brüdern das Tragen des schwarz-weissen Bandes streng,   doch erfolglos ver­boten hatte, ergriff sein Glas und trank es aus bis auf den Grund auf das ewige vivat crescat,   floreat   Borussiae,   wir   ändern alle auch die Preussen stimmten lächelnd und begeistert in seinen  Toast ein.

Während dieser Zeit kamen auch über 200 thelegraphische Glückwünsche, die einzeln aufzuführen nicht möglich ist.

Die Zeit der eigentlichen Feier rückte heran, wir ordneten uns um die be­kränzten Sessel in einem Halbkreis an, die weissgekleideten Enkelinnen in der vordersten Reihe, hinter ihnen die Jungens und die Kinder überschauend in der hintersten Reihe wir Männer, während die Damen au'" Sesseln, die sich nach vorn zu dem Halbkreis anschlössen, in ihrem festlichem Schmuck niederliessen. — — Selbst Blumen, wurde ihre Schönheit durch die hinter ihnen aufgebaute Blumenpracht noch mehr hervorgehoben ! — —

Die Mutter trat herein, vom Vater und Grete geführt, uns freundlich zunickend und zurufend: Nun macht nur nicht alle so feierliche und ernste Gesichter!

Vater   und Mutter  nahmen  auf den Ehrensesseln  Platz und  die  Feier begann.

Albert's älteste Tochter, die sechzehnjährige Annemarie trat hervor, auf einem weissseidenen Kissen den goldenen Brautkranz für die Mutter und das goldene Sträusschen für den Vater emporhaltend, sprach sie:

Der Kranz, der Strauss, den wir Euch reichen Nehmt ihn als treuer Liebe Zeichen Von Kind und Kindeskindern an.  — Ein anderer Kranz, wohl ohne Gleichen. Von jungen Linden, jungen Eichen. Wie ihn kein Gärtner binden kann, Voll hoffnungsfroher, frischer Triebe. Der bittet Euch um Eure Liebe.

(Albert.)

Mama sagte, die Rührung bekämpfend: Na, dann setzt ihn mir nur auf, und so wurden die Eltern mit Kranz und Sträusschen geschmückt.

Hierauf trat Felix Riedel hervor und feierte die Eltern mit warmen und tief­empfundenen Worten, ihnen zum Schlüsse den göttlichen Segen erthcilend.

Erinnerungen an längst vergangene Zeiten wurden geweckt, als nun Miezes Sohn Walther, wie Kosmehl einst aus dem grünen Wald, das Lied: „Wach auf du gold'nes Morgenroth und grüsse meine Braut" erschallen Hess.

Hansens Tochter, die siebenjährige Lotte, trat nun hervor, ihr Haupt war mit einer silbernen Augsburger Riegelhaube geschmückt, wie sie heutzutage nicht mehr getragen werden. Lottens Haube hatte einst vor 300 Jahren ein Augsburger Patrizier­mädchen gar stolz ihr eigen genannt. Sie überbrachte einen goldenen Augsburger Brautbecher mit folgenden Worten :

Nun lasst Euch erzählen aus alter Zeit

Von aller Augsburger Herrlichkeit.

Von einer Hochzeit nach Augsburger Art

Und einem Brauche gar sonderbar zart.

Stammt wohl noch aus der Römerzeit her

"Wie's nun so geht, kaum kennt man ihn mehr.

Aber noch zur Geschlechterzeit

Gab's keine Braut im festlichen Kleid.

Die es jemals hält zugegeben.

Sich ohne den Brauch dem Bräut'gam zu geben.

Sass man beim festlichen Hochzeitsgepränge

Schmiegt sich die Braut an den Bräutigam enge,

Flüstert ihm bittend etwas in'» Ohr,

Bringt einen goldenen Becher hervor.

 

 

Augsburger Brautbecher wird er genannt.

Ist sonst nirgends im Lande bekannt,

              Ist mit Schnörkeln verziert, gar bedeutsam und fein,

Ladet das Brautpaar zum Liebestrunk ein.

Seht doch den Becher, wie sonderbar, schaut'

Ist doch der Becher selbst eine Braut

Die wiederum einen Becher trägt,

Der sich drehend in ihren Händen bewegt.

Lasst Euch weiter erzählen aus alter Zeit

Von der Hochzeitsfeierlichkeit:

Und die Braut nimmt den Becher mit funkelndem Wein

Ladet lächelnd den Bräut'gam zum Liebestrunk ein,

Und er trinkt mit Entzücken aus der goldenen Braut,

Und sie aus dem Becher, gar zierlich, o schaut!

Und die Hochzeitsgäste, sie rufen laut:

Es  lebe  Liebe und Treue und Bräutigam und Braut,

Dann, wenn der Bräutigam den Trunk erst gethan,

Dann bleibt er zeitlebens ein treuer Mann.

Wie glücklich schaut nun das Bräutchen aus

Und blickt unbesorgt in die Zukunft hinaus!

Ihr Bruder, der 9jährige Wolfgang fuhr fort: Verklungen, vergessen die alte Zeit, Die Becher verschwunden, keine Treue mehr heut, Doch wenn in Augsburg ein Paar, wie Ihr heut. Nach 50 der Jahre die Hochzeit erneut, Dann denkt man der Becher und schenkt sie aufs Neu Als Sinnbild der Liebe und ewigen Treu. Nehmt Ihr auch den Becher und trinket daraus, Doch trinkt ihn, ich bitte, nicht völlig aus. Denn manchem im Saale, ich weiss es genau, Dem brächte noch gerne die Ehefrau, Den Becher der Treu' zum gemeinsamen Trank, Damit er sie halte sein Leben lang.

(Hans.)

Es wirkte recht erfrischend, als nun nach diesen mehr ernsten Worten

Alexanders ältester Sohn, der 13Jährige Alexander als Berliner Schuster- junge gekleidet und   ein Paar   Stiefel   in   der Hand   im Berliner  Strassendialekt zum Brautpaar sprach:

 

„Vom grünen Strande der Spree bin ich hierher gekommen, um den

Wundermann zu sehen, der alle Jahre blos ein   Paar  neue Stiefeln   kauft

Und dabei doch an die 15 Paare in seinem Schlafzimmer hängen hat, obgleich

er beständig rennt und  niemals langsam geht trotz seiner 8o Jahre.

Und 30 Füsse hat er ausserdem zu besohlen gehabt, das war gewiss nicht leicht und wenn ein Theil seiner Kinder, welche auf kleinerem Fusse als er lebten, regel-mässig  Vater's Stiefel   trug, so lebte doch leider der grössere Theil auf einem grösseren Fusse als der Vater. Ich erinnere mich noch ganz genau des Falles,  wo eines Tages ein Kunde von meinem Meister, der Ingenieur Herzfeld aus die Gitschinerstrasse zu uns kam und sagte, was sein Vater, der Justizrath Herzfeld aus Halle wäre, der hätte ihm wieder das gewohnte Paar Stiebein aus Halle mitgebracht, wo doch sein fuss i0cmlänger war, als Vater's seiner. Besagter Herr Ingenieur hatte schon seit seinem 14. Jahre Vater's Stiebein ge-tragen.

So ist nun eins nach dem ändern von  den Kindern in die Stiebeln hinein  und wieder heraus gewachsen. Was ist da zu thun?

Na, zum Glück sind ja viele Enkel da; und die  präsentiren   sich heute  Ihnen,   verehrter Herr,   als zukünftige Stiebeln-Abnehmer. Wenn die noch nicht genügen, bin ich noch bereit, ein Paar zu nehmen.

Meine  besten Wünsche  euch zum heutigen Feste! --- ----"

                                           (Alexander.)

Alexanders älteste Tochter erschien nun  vor unserem Jubelpaar   als   die ver­flossene   und unvergessliche Wirthschafterin Frau Köberlin und sagte:

Heut   hält sich jedes junge Paar Zuweilen schon vom zweiten Jahr.

Für Haus- und Kinderregiment.

Was man bei Euch 'ne Stütze nennt.

 

Du freilich hast  nie eine gewollt.

Und 25 Jahre sind hingerollt.

Wo Du gewirkt hast ganz allein,

Besorgt die Kinder gross und klein.

Gar oft sprach Deine Mutter zu Dir:    „Marie geht's nicht länger hier          Du brauchst im Haus durchaus 'ne Person. Die Dir hilft, sei's auch gegen hohen Lohn.

Du lächelst nur.  und Hink und heiter Trugst die ganze Last allein Du weiter.

Da warf eine schwere Krankheit Dich hin.

Das änderte damals Deinen Sinn ;

Es wurde Dir endlich zu viel der Müh'n

Und Du engagirtest Frau Köberlin,

Als die ich nun heut' hier erschienen hin.

Ich kochte fleissig früh und spät.

War auch zu Deinen Söhnen nett.

                 Mein Mann war Komiker  und die Principien der Chemie,

Vergess ich in der Küche nie.

Gehören war ich in Bayernland,

Daher mit dem Biere wohlbekannt.

Eine Flasche war stets in meinem Zimmer.

Und nüchtern war ich des Tag's nicht immer!

Bei Reinold's Taufe ward offenbar.

Dass ich auch vom Wein kein Verächter war.

Herrn Justizralh war's damals gar nicht lieb,

Als mich Zärtlichkeit ihm in die Arme trieb. —

Nach mir sind zwar noch Andre gekommen, Doch keine hat meinen Ruhm erklommen!

Selbst wenn die Gicht Dich furchtbar plagte,

Dass jedermann Dich tief beklagte,

Hast Du doch selbst zu jeder Zeit

Für Haus und Kind gesorgt bereit.

Du hast verdient den schönsten Lohn,

Denn   Du   bist und bleibst doch selbst ..die Person".

Mögbt lang' noch in der alten Weise

Du wirken in gewohntem Kreise

Das wünscht Dir heut' Frau Köberlin!

(Alexander.)

Alexanders 9jährige Tochter Lore kam als Karlsbader Brunnenmädchen und sprach:

Von Karlsbad bin icli heut' herbeigeeilt.

Um das verehrte Paar hier zu begrüssen :

Gar oft habt Beide Ihr bei uns geweilt.

Drum leg" icli meinen Glückwunsch Euch zu Füssen !

Gar manche schöne Stunde, Herr Justizrath,

Habt Ihr im Freundschaftssaal verlebt.

Wo hungrig nach der Morgenpromonad.

Ihr Eurem Frühstück nachgestrebt.

Gar manchmal auch erscheint Ihr ohne Frau,

Doch wart Ihr selten deshalb dort allein.

    Söhn', Töchter, Schwiegertöchter. Ihr nahmt's nicht so genau

Doch ein Begleiter musst stets mit Euch sein.

Da gab's Verdruss zuweilen auch, 'nen kleinen.

Weil Hans und Robert ewig so verfressen.

Auch pflegt der Freundeskreis sich zu vereinen

Stets mit den Söhnen gegen Euch beim Essen!

Wie oft durchstreifet Ihr auch Karlsbad's Fluren

Erklettert rüstig Ihr der Berge luft'ge Höhn,

Den Sohn  dann allemal auf Euren Spuren,

..Drei Schritt zurück!" musst er gehorsam geh'n.

 

 

Aphrodite  :       Ich bin die kleine Aphrodite

(Renatel)            Und wünsche mir eine Zuckerdüte.                                             ' •

Zeus :         Wohlauf, Ihr sämmtlichen  Penaten
(Walter Triebel)       Trilonen, Elfen 'und Najaden

Lasst  uns auch ferner, wie seit Jahren Den Herd des Hauses treu bewahren.

Es ruft die Kauze Göltorschaar: Ein    Hoch dem goldnen Hochzeitspaar.

Hiermit war die Reihe der Vortrage beendet, wir alle begaben uns in den Garten hinaus, um bis zum Beginn des Mahles bei herrlichem Wetter zu lustwandeln.

Im Kursaal war die mit den Blumenkörben geschmückte Tafel in Hufeisenform gedeckt. Mit Freude wurde sofort eine Anzahl hoher Baumkuchen entdeckt, welche übrigens später spurlos verschwanden, bevor noch die Düten herumgegeben waren Mieze, welche die Situation zu spät erfasst hatte, behauptete in öffentlicher Rede, dass gewisse Schwägerinnen in greifbarem Zusammenhange hiermit stunden, bat herz­ergreifend, ihr, als der ältesten Tochter, doch wenigstens ein Stückchen abzugeben, doch alles Flehen war vergebens, denn Keiner wollte den Kuchen eingesteckt haben.

Die Mutter kam während des Essens herunter und sass mit dem Vater in der Mitte der Quertafel, die Enkelschaar, streng dem Alter nach geordnet, sass an einer Längstafel, an der anderen wir Uebrigen. Die Speisen waren einfach aber gut und bei Wein und schäumendem Champagner lösten sich bald in freier Rede und Toasten die Gedanken, welche uns auf der Seele lagen. Robert, der älteste von uns, feierte die Eltern, Heinrich pries den Glückstern unserer Familie, Albert liess die Tante Agnes leben, Alexander Herrn Pastor Riedel, Paul die Enkel, Hans die Schwestern des Vaters, Walther die Vermehrung der Familie, Wolfgang die Schwäger, Willi die Schwägerinnen, Mieze den Baumkuchen, Reinold seine Nichten. Der älteste Enkel, Heinrichs Sohn Ludvig, welcher bereits in Halle Jura studiert, die Grosseltern und alle Enkel stimmten laut und treudig in seinen Hochruf ein.

Auch Georg Herzfeld bekam seinen Toast und er sowie Tante Louisc Hessen noch einmal das Jubelpaar in schwunghaften und warm empfundenen Worten leben.

Herr Pastor Riedel erfreute uns durch herrlichen Gesang und übernahm in freundlicher Weise die Begleitung, als das nachfolgende Fcstlied nach der Melodie „Denkst du daran mein tapfrer Lagicnka", gesungen wurde.

Denkt Ihr. wie lange Zeit ist schon vergangen. Dass Ihr in Halle froh vereint?             Der Stadt, in der Ihr Gutes viel empfangen Weils Eure Eltern mit Euch treu gemeint!    Hier wurde mancher Liebesbund geschlossen, Manch neues Glied der Kette eingereiht   Jedoch die Eltern blieben unverdrossen Zur Hilfe für uns alle Zeit bereit.

Denkt Ihr daran, dass in dem Dorf der Mücken

Ihr eine Zeit gar wonnevoll verlebt?

Oft in dem Kuhstall könnt' man Euch erblicken

Auch viele Zeit habt Ihr im Wald verlebt.

Doch Abends am Kami» im trauten Kreise

Erzählt die Mutter von der alten Zeit

Und von der Urgroßmutter schlichten Weise

Bis dass der letzte Funken fiel vom Scheit.

Denkt Ihr der Schanzen, die wir einst erbauten Verproviantirt mit reichlich Speis und Trank?  Wie wir die Feinde dann zusammenhauten      Sodass der Angriff ganz und gar misslang.      Wie ihre Fahnen wir im Sturm erobert           Gen Sprottau floh die feige Feindesschaar      Und wie zum Schluss dann unser Bruder Robert   Das Frühstück ausgrub, das vergraben war.

Denkt Ihr auch manchmal an den Kreis  der Linden  Und Eichen, die wir selber sollten sein?           Nun glaubt es endlich, freudig wollt/s empfinden               Der kräftige Wuchs der Bäume war kein Schein

 

 

Wenn auch das Storchnest blieb am Heimathsorte Die treuen Thiere haben doch zur Nacht Die alten Freunde niemals mehr vergessen Mnd manches liehe Kindlein nachgebracht.

Denkt Ihr an Obergorpcs grüne Auen An Onkel Adolphs närrisch Testament? Und denkt an Guhran, da sind zu erschauen Der Mühlen viel, wie Stern am Firmament Wie da der Vater schlug mit seiner Geige Die Schaar der Feinde in der Dunkelheit Ein Vorbild war's für Kinder und für Enkel Wie man Musik treibt noch zur Dämmerzeit.

Vorbei der Eltern holde Jugendtage,

Nun schau das Aller sie recht freundlich an!

Sie sollen endlich ausruhen von der Plage

Und vielen Arbeit, die sie  stets gethan.

Ihr ändern aber pflanzt den Geist, den hohen,

Der Eltern auf die Kindeskinder fort

Dann schenkt Ihr Ihnen auch den Blick,  den frohen

Der Seele Gleichmuth und das offene Wort.

(Hans.)

Nach dem Hochzeitsmahl lagerten sich wieder, wie am Vorabend, die Enkel, schaar auf der Erde in der Mitte des Saales und lauschten andächtig auf die Erzählungen der Onkel und Tanten aus der Jugendzeit. Ohne jede Vorbereitung endete das seltene Fest mit einem Ball, der unterbrochen wurde durch eine Vorführung Vetter Georgs und Vetter Fricdcls, welche als Kamel verkleidet zum Jubel der Kinder vom Kamelführer Hans hereingeführt wurden und ihre possierlichen Kunststücke produzierten.

Als Zeit und Stimmung weiter vorgerückt war, erschienen Hans und Vetter Friedel beide in bayrischer Gebirgstracht. Hans sang den nachfolgenden Gruss aus den Allgäuer Alpen und Friede! jodelte nach jeder Strophe in wohlgelungener Weise, so recht aus Herzensgrund, was kein Tyroler in den Bergen besser könnte.

A  Schnadahüpfle.


Robert und sei sauberes Mädel

Wären z'gern von Adel.

Holdria juchhe, juchhe Holdria juchhe

— Jodler —

Heinrich war gar oan arger Bua Jetzt ist er grad fromm gnua.

— Jodler —

Sakra — Malefiz — Kugelmühl Zermahlts Albers Gold fein viel.

— Jodler —

derWalther hat oan sakrischen Muat h Wenn er was fressa thut.

— Jodler —

Und Wolfgang sitzt am Pferdemist Und seine Pilza frist.

— Jodler —

Willi kann gscheerig sein                   Und Ist er mit Madl
Der Alex sei gelahrt — i bitt — Was gescheidts weiss der sicher nit.

— Jodler —

Und der Paul trinkt koa Biar, koan Wein Und dos will a Dokter sein.

— Jodler —

Und dem Hansel siats Koaner an Was dem sei Frau all's kann.

      Jodler —

       

Und das Miazle, das krochoamal

In oanen Gamsestall Kin jedes woas, was es werth Und wo's hingehört.

— Jodler —

 allein Thuat er gar fein.

— Jodler —

Gretli, dem ist es glückt Dass a mal a Strümpfli strickt Als a Joahr a siabne war. Dös ist noch nit gar.

— Jodler —

Reinold ist a Lausbua nur Von Studir'n gar koa Spur, S auf a dös kann er schö S' ist a Malelizkujon

— Jodler —

Z'letzt i eu herzu bitt Neamts Koaner übel nit.             Lasst mir doch meine Ruah Macht kei Gfrett dazua.

Jodler


10


 

 

 

 

 

 

So schloss das selten schöne Fest ohne Missklang, wir alle ausser dem Vater, der Mutter und den Enkeln, die ins Bett gegangen waren, trafen uns noch in Halle in der „Stadt Hamburg", wo wir noch bis zur frühen Morgenstunde eine kräftige Nachfeier hielten, und auch dann noch trennten wir Männer uns ungern, dem Rathe unserer Frauen nur widerwillig nachge-bend.

In den nächsten Tagen nahm einer nach dem anderen Abschied und eilte in die Heimath, wir alle aber fühlten, dass ein festes, unzer-reissbares Band uns zusammen­hält, das unsere Eltern sorgsam geknüpft haben und so schliesse ich mit dem Rufe:

Ein Hoch unseren braven Eltern, möge  des Alters Last noch lange Jahre

auf ihnen ruhen!

Hans.10

 

 

 

 

 

 

Vorher war noch das Jubelpaar vom Pfarrer eingesegnet worden und schließlich schloß sich daran eine feierliche Mittagstafel. Es war sehr lustig und später tanzten die Onkels und Tanten und auch wir mit unseren Vettern etwas. Onkel Wolfgang, Siegfried Beisert, Onkel Reinold und auch Onkel Willi trugen - wie mir schien, sehr witzige Sachen vor. Schließlich war das Fest been­det und man traf sich nochmals in Stadt Hamburg, wo, wie ich glaube, Abendbrot gegessen wurde. Ich fand das alles überaus "modän" (dieses Wort gab es damals, glaube ich, noch nicht), besonders, da ich wieder einmal einen Verehrer gefunden hatte, nämlich Walter Triebel. Er war der Sohn von Vaters Schwester Mietze, die wir sehr gern hatten. Was wir uns erzählt haben, weiß ich nicht mehr, nur das Wein getrunken wurde und zum Schluss gingen die ganz Unentwegten noch ins Kaffee Bauer, das damals schon sehr vornehm war, und tranken Bier. Natürlich waren Anne­marie und ich dabei. Schließlich müssen wir aber doch einmal nach Mäuse gegangen sein und das schöne Fest war zu Ende."11

 

Die vom Sohne Hans angesprochenen dunklen Wolken, die ihre Schatten auf das Leben seiner Mutter Marie Clementine warfen, insbesondere auch die körperlichen Beschwerden, werden in einigen ihrer Briefe an den Sohn Heinrich und dessen Frau Therese geb. Triebe! sichtbar:

Halle den 10.Juni ! (1887)

Lieber Heinrich !

Nun nochmals zur Geburt des "kleinen Mädchens" meine herzlichsten Glückwünsche - nun ist ja ein großer Wunsch von Euch erfüllt und wir wollen hoffen, daß "Sie" zu Eurer und unser aller Freude gedeihe. Albert ist ja auch schon von dem Namen benachrichtigt. Ich hoffe, daß Ihr nicht wieder eine Mietze oder Minka daraus macht, sondern ihr den Namen unverändert laßt; oder wird sie Therese gerufen ? Da gibt es ja hübsche Abkürzungen. Bei Albert wird Sonntag getauft. Mietze12 und Ju­lius13 kommen dazu her und auch Mariechen und Georg werden anwesend sein. Wie ich höre reist Marianne Triebel nächste Woche ins Bad. Sie hat sich übrigens in der letzten Zeit sehr erholt. Nun will ich Dich aber heut nicht lange aufhalten, denn Du hast zunächst selbst Deinen Kopf voll, - ich will nur wünschen, daß sich Eure Leute recht gut machen und Theresens Wochenbett recht normal verläuft. Grüße sie und die Kinder alle herzlich von Deiner

alten Mutter

Die Brüder freuen sich gewiß über das Schwesterlein

         Martin u. Ludwig Herzfeld 1883

Martin (4),Ludwig (6), Gottfried 2 -1887

Marie14 Herzfeld war am 7. Juni 1887 in Neuwied zur Welt gekommen, ihr Bruder Martin15 berichtet später darüber:

"Maria wurde zu Hause geboren. Ins Krankenhaus ging man damals nicht. Frauenkliniken gab es nicht. Die Geburt beaufsichtigte der Kreisphysikus Hachenberg, der in der Poststraße ein Haus hatte; ein alter ziem­lich verkalkter Herr. Die Hebamme, die zweifellos die praktischen Hand­griffe machte, ist mir nicht mehr erinnerlich.

Am Nachmittag vor der Taufe pflückte die Winterlehne in unserem jen­seits der Straße gelegenen, von Pastor Philips gepachteten großen Gar­ten Vergißmeinnicht und band sie zu einem dicken Kranz zusammen. Der Kranz wurde in eine Schüssel mit Pumpenwasser gelegt, damit er frisch blieb. - Bei der Taufe selbst wurde Wasser aus dem Brunnen im Hinter­garten verwandt."

 

 

Therese Herzfeld geb. Triebel          Heinrich Herzfeld geb. 4.Nov. 1851

Mit Tochter Maria      

 

 

 

 

 

 

Halle a/ S. d. (o.D.)

(Januar 1888 od. 89)

Lieber Heinrich, liebe Therese !

Ich habe so lange mit meinem Schreiben gewartet und komme nun zu­sammen mit meinem Dank für das schwarze Chenillentuch und die Neu­jahrswünsche, die ich von Herzen erwidere - ich kann das Tuch auch sehr schön gebrauchen, denn da ich immer friere, wickele ich mich immer doppelt und dreifach ein; aber es tut mir leid, daß Du doch wieder eine Handarbeit für mich gemacht, ich hatte Dich doch gebe­ten, es nicht mehr zu tun. Es war Weihnachten sehr viel vergnügtes Lachen bei uns u. bin ich dadurch vielleicht besser über all meine Schmerzen in den steifen Gliedern weggekommen, denn es ist mir ei­gentlich recht schlecht ergangen. Gestern sind Paul und die Wettiner wieder abgereist - nun ist bloß noch Wolfgang hier, der morgen auf Walters Promotion und den Doktorschmaus mitmachen will. Der Winter macht sich seit einigen Tagen recht fühlbar. Oben ist es auch gestern leerer geworden; äußere Mieter sind mit Kind und Kegel ausgezogen u. noch ist gar keine Nachfrage nach der Wohnung gewesen.

Papa hat sehr stark die Absicht, in diesem Frühjahr nach Italien zu reisen, er ist dazu von Tante Alwine dringend aufgefordert u. da es schon immer sein höchster Lebenswunsch gewesen so mag ich, trotz meiner Bedenken dagegen, nichts mehr einzuwenden und werde ihn ziehen lassen - wenn auch mit schwerem Herzen. Nun schließe ich mit den herzlichsten Grüßen an Euch alle, die Handgelenke wollen nicht lange zum Schreiben aushalten. Ich

bleibe in stets

herzlicher Liebe Eure

treue Mutter

Doppelt habe ich mich bei Euch zu bedanken, erstens für den langen Geburtstagsbrief und zweitens für das Weihnachtsgeschenk. Die Salz­fässer haben ihren Platz in dem neuen Küchenschrank, wo alle Wirt­schaftsgegenstände gesammelt werden, gefunden. Dort werden sie aber noch länger wie bis zum Frühjahr liegen bleiben müssen, denn sobald wie Heinrich denkt, können wir nicht Hochzeit machen. Grüßt die Kinder alle schön von der Tante Grete.

 

Halle 6. De. (1891)

Lieber Heinrich !

Dir und Therese, sowie den lieben Kindern meinen herzlichsten Dank für die guten Wünsche zu meinem 61ten Geburtstag. - Ich habe das neue Lebensjahr bei ganz leidlicher Gesundheit angetreten und will hoffen, daß ich noch eine Zeit lang etwas für die meinigen tun u. sein kann. Es tut mir leid, daß es bei Euch nicht ganz gut ging. Doch muß man froh sein, wenn nicht ernstere Krankheiten kommen. Die

armen Beiserts16 sind noch immer in größter Angst und Aufregung - es hat sich bei Siegfr. Eiter gebildet, der durch die Blase fortgeht - er hat immer wieder an Flauen (?) Schmerzen u. da bei einer so schwe­ren inneren Verletzung kein Arzt Bestimmtes aussagen kann, so schwe­ben sie immer zwischen Furcht und Hoffnung. Jedenfalls ist noch kein Ende abzusehen u. erliegt nun schon in der neunten Woche in der Kli­nik ! Tante Agnes wird gewiß sehr dankbar sein, wenn Du ihr einige aufmunternde Zeilen schreibst. Es ist ihr wohltätig, wenn man ihr Teilnahme und Mitgefühl zeigt. -

Von Alwine Wilhelmi bekam ich noch einen Brief, in welchem sie ihr hartes Geschick, welches sie aller Freude u. alles Glückes beraubt, anklagt. - Ihr Sohn führt aber doch das Geschäft jetzt fort. Hoffent­lich bessert er sich, denn er hat einige Jahre seines jungen Lebens ganz leichtsinnig verbracht, er ist auch Buchdrucker, soll aber bis jetzt noch keine ernste Tätigkeit getrieben haben. Vielleicht wie ge­sagt wird er jetzt wenigstens seiner unglücklichen Mutter eine Stütze. - Das Unglück bessert ja oft die Menschen.

Es tut mir gut, daß ich schon alle Weihnachtssachen besorgt u. somit Deinem Wunsche in Baarem nicht nachkommen kann. - Bitte schreibt mir das künftig recht bei Zeiten, ich besorge immer, wenn ich gerade ausgehen kann u. so will ich hoffen, daß ihr die Sachen brauchen . könnt; nächste Woche schicke ich schon alles, da ich auf der Kinder ihre Wünsche nicht mehr eingehen kann, schick ich jedem etwas Geld zu deren Besorgung. Für die schönen Briefe dank ich den Kindern herz­lichst, auch Therese sage meinen Dank - wir wollen nächsten Sonntag den Herren Lufer, der bei uns Besuch gemacht, mit anderen einladen. Gestern abend waren auch alle hiesigen Kinder bei uns. Vorigen Dienstag wurde bei Grete getauft ! Doch ich muß schließen, da ich heute noch unzählige Briefe schreiben will.

Herzlichen Gruß

Eure Mutter     

 

 

Halle a/S. 3 te Nov.(1894 ?)

Lieber Heinrich !

Zu Deinem Geburtstage meine herzlichsten Glückwünsche, möge in Deinem Hause Friede und Glück weiter gedeihen u. Du an den Kindern Freude erleben u. durch ihre Dankbarkeit für alle Sorge belohnt werden - meine beiden Grüße sind hoffentlich inzwischen angekommen. Ich habe recht lange nicht an Euch geschrieben u. viel kann ich ja nicht mehr an jeden Einzelnen - es will auch manches nicht aus der Feder. Dieser Sommer brachte auch wieder schweren Kummer mit unserem Schwieger­sohn - er hatte sie vor und nach ihrer Entbindung in so roher u. ge­fühlloser Weise behandelt, daß sie 3 Wochen nachher mit seiner Ein­willigung mit dem kleinsten Kinde zu uns kam. - Es war ein Dienstmäd­chen im Hause, das er den Platz, der eigentlich seiner Frau gebührte, sinnlich u. leider auch seelisch - einräumte. Grete und natürlich auch wir erklärten, daß sie nicht eher zurück könne bis die Person aus dem Hause. In diesem Punkte hat er ja nun (alles der Leute wegen wie er selbst sagt) mit großem Widerstreben nachgegeben. Daß Grete

inzwischen auch Liebe und Achtung zu ihm verloren (er erklärte mir, daß er dieselbe vor Grete längst verloren !) u. ihre Ehe ist eigent­lich nur noch eine Lüge - eine Scheidung will er nicht und ist ja auch der Kinder wegen nicht gut möglich. - Gretens Stellung ihm ge­genüber ist ja jetzt eine bessere, insofern als sie nur ihrer Pflicht und ihren Kindern lebt u. seine rohen Schimpfereien gar nicht mehr beachtet - hingegen sucht er sie doch auch durch größte Nichtach­tung ihrer Eltern zu kränken - er hat unser Haus nicht mehr betreten, Papa nicht zum Geburtstag gratuliert - mir hat er bedeuten lassen, ich solle nicht hinkommen, das kleine Kind17 soll jetzt getauft wer­den, dazu kommen nur seine Verwandten (das ist für Grete sehr schmerz­lich !) Sie ist ganz fest entschlossen, der Kinder wegen das Äußerste auszuhalten - aber auch, wenn es wieder das Maß übersteigt, dennoch von ihm zu gehen. - So stehen die Dinge, und daß man dabei keine in­nere Ruhe mehr finden kann, wirst Du mir wohl glauben - mit dem besten Willen nicht helfen zu können, das ist sehr traurig - es ist wie eine schwere Krankheit, die der Arzt nicht abwenden kann, die aber auch nicht mit dem Tode endigt- denn auch auf die Kinder wird dieses un­glückliche Verhältnis später von Einfluß sein - doch ich will auf­hören zu reden. Bitte tue ja nichts in der Sache. Robert ist neu­lich hingegangen u. hat es nur verschlimmert, wie man das bei ihm immer durch jedes Entgegenkommen tut. Vielleicht gibt der liebe Gott (Du siehst, ich nenne ihn noch einmal) Grete die Kraft, es zu tragen und auszuhalten. - Nun habe ich doch den ganzen Brief mit der un­glücklichen Sache angefüllt u. bleibt mir nicht mehr Platz zu ande­ren Dingen. Mariechen, nach der Therese fragt, befindet sich noch ganz wohl. Sie besucht mich oft und ist mir ein großer Trost -uns erfrischt und auf dem Platze - hoffentlich bringt ihr dieser Mo­nat Erlösung - an Euch alle u. die lieben Kinder viele Grüße

Deine treue Mutter

Halle den,  No. (1894 ?)

Lieber Heinrich !

Ich muß heute gleich auf Deinen lieben Brief antworten. Wenn ich mir dasselbe auch immerfort selbst sage, so ist es mir doch ein Trost es von Dir in so milden Worten ausgesprochen zu hören. Ich weiß auch wohl, daß ich viel Schuld habe - nicht aus Mangel an Liebe sondern an Klugheit - u. Du hast ganz recht, wenn das Fernbleiben meiner Per­son u. meines Einflusses jetzt das richtige ist, da sein Mißtrauen gegen mich nun einmal da ist - dies und Gretens treue Pflichterfüllung scheinen ja auch schon etwas zu nutzen - ob auf die Dauer weiß man freilich nicht u. vielleicht treibt die Pflanze (wie Du Dich so schön ausdrückst) der Liebe, die so arg beschnitten wurde, frischer aus der Wurzel ! Ach wie sehr wünschte ich es. Und ich will dafür gerne entbehren - Grete selbst ist ja jetzt ganz zufrieden u, hat eine größere Selbständigkeit u. Sicherheit des Wesens erlangt, die ihr hoffentlich bleiben wird. Den Schmerz uns nicht in ihrem Hause zu haben u. zu sehen u. auch bei der Taufe des Kindes (das geht ihr am meisten nahe) nicht dabei zu haben, wird sie schon auch noch über-

 

                  Margarethe u. Bernhard Schulze 1906

 

 

 

winden, wenn sie sich dadurch ihres Mannes Liebe und Achtung erhal­ten kann. Du hast ja recht, die Frauen müssen ja genug mit Wider­sprüchen und Stürmen kämpfen, ihre Aufgabe ist auch nicht leicht, aber die schwerste hat gewiß die Schwiegermutter. - Ich danke Dir noch vielmals für Deinen Brief. Deine Worte sollen mich immer mah­nen, die Vorsicht nicht mehr zu vergessen, was ich ja unbewußt zu­ meist getan habe und ich will jetzt auch wieder anfangen zu hoffen,
daß es einmal besser wird - vielleicht ist das Schlimmste nun vor­über - jedenfalls bin ich ruhiger geworden, als ich vier Jahre lang war.
Bitte frage doch Therese, ob ich ihr Zeug zum Mantel für Elisabeth18
schicken soll und wie viel u. ungefähr welche Farbe und ob es bis
Weihnachten Zeit hat. Bei Mariechen geht alles gut, ich war eben da,
sie ist kreuzfidel u.
die Kinder unter Claras Pflege sehr munter.
Für heut meinen herzlichsten Gruß an Euch alle.

Ferner bitte ich Dich noch liebe Therese, doch an Frau Pöge (?) zu schreiben, wie Du das Kleid willst gemacht haben. Ich werde den Stoff, der in diesen Tagen kommt, hier besorgen - habe aber, damit etwas übrig bleibt, lieber 5 1/2 Meter genommen.

Halle a/S 3.Nov. (o.D.)

Lieber Heinrich !

Zu Deinem Geburtstage meine herzlichsten Glückwünsche. Es freut mich, daß Ihr alle gesund seid u. Martins Anfall auch noch so glücklich abgelaufen ist. Zu längeren Briefen kann ich mir gar keine Zeit mehr nehmen, auch plagt mich die Gicht wieder an allen Ecken, daß mir das Schreiben sauer wird. - Ich richte daher nur noch an Therese einige Fragen u. schließe mit herzlichen Grüßen

Deine tr. Mutter

Liebe Therese. In Betreff Weihnachten muß ich noch einmal bemerken, daß Du für Dich selbst gar keinen Wunsch ausgesprochen. Ich lasse Euch Proben aus Sagan zu Damenkleidern bringen (Mariechen will ein schwarzes), soll ich sie Dir zuschicken?

Ferner bitte ich Dir doch noch dringend die Länge, Brustbreite und Ärmel länge zu den Schürzen anzugeben. Ich wollte sie den Mädchen gern machen u. auch zu schreiben, ob Ärmel schürzen erwünscht sind, u. auch ob die Jungen noch Schurzfell tragen, in welchem Fall ich auch die Länge wissen möchte. - Die Strümpfe sind schon in Arbeit (es soll­ten doch wohl wollene sein ?). Wenn sie fertig, bekommt Ihr noch eine richtige Geburtstagsgans mit.

Ich lasse übrigens von jeder Größe 4 St. stricken, das wird Dir doch recht sein. Die Wünsche von den Kindern will ich bis auf den Haupt­wunsch nämlich die Druckerei berücksichtigen, gegen solche Schmiere­rei verursachenden Geschenke bin ich prinzipiell - u. gewöhnlich gehen sie auch gleich entzwei.

Doch nun leb wohl, ich kann nicht mehr. Mariechen geht es sehr gut -sie hat ausreichend      - Clara reist morgen wieder ab.

Deine tr. Mutter.

 

 

Wie bereits aus den Briefen zu entnehmen, wurde Marie Clementine schon seit Jahren von arthritischen Schmerzen gepeinigt. Sie selbst schreibt dazu in der Nachschrift zu ihren Jugenderinnerungen, am 30. September 1897:

"Seit zwei Jahren bin ich von schwerer, unheilbarer Krankheit befallen! Schweres, trostloses Schicksal, Tag und Nacht die endlosesten Schmerzen, alle Glieder so schwach, dass ich nichts mehr tun kann, als ganz leichte Handarbeit. Das ist nun das Ende meines bewegten und thätigen Lebens! Keinen Augenblick mehr der Freude, des Behagens, nur Thränen, Stöhnen und Wehklagen - nur noch eine Sehnsucht, - die nach Erlösung. Es umgiebt mich der ganze Reichtum von Liebe und Sorgfalt und ich arme Elende empfinde es kaum! Kann den Kindern nichts mehr sein, meinen Mann nicht mehr pflegen, in jedem Augenblick empfinde ich nur meine Ohnmacht, meine Schmerzen.

Dreimal habe ich mich der schrecklichen Köstrizer Kur unterworfen, ganz umsonst - weint nicht um mich, wenn ich todt bin, preiset mich glücklich!"

Wir sprachen oben von der Janusköpfigkeit des Jubeltages, zweieinhalb Monate nach der Goldenen Hochzeit, am 9. Januar 1900 bereitete sie selbst dieser Qual ein Ende. Der jüngste Sohn Reinhold19 fand seine Mutter am Fensterkreuz erhängt.

Durch ihre Jugenderinnerungen und Gedichte für die Enkelkinder bleibt Marie Clementines Persönlichkeit auch ihren späteren Nachkommen eindrucks­voll im Gedächtnis.

„Im Januar 1900 starb unsere Großmutter Herzfeld. Es kam mir schon vorher bei ihr immer sehr düster vor, sie war sehr einsam und hatte durch Arthritis deformans große Schmerzen. Sie machte sehr hübsche Sandarbeiten, zu denen Tante Mietze ihr die Muster aufzeichnete, auch wollene Decken häkelte sie, da sie sich wohl, nachdem sie ein tatenreiches Leben gehabt hatte, sehr überflüssig vorkam. Dann hinderten sie ihre Schmerzen auch, daran. - Fach ihrem l'od zog Großvater ins Erdge­schoß, Br hatte nun immer Hausdamen, die mehr oder weniger nett waren. Die Stentzeln, die ihn und er sie durchaus heiraten wollte, die Schaerben und die Helmboldten. [Sie bekam bei Groß­vaters Tod ein Legat von 3000,- Mk, worüber ein Teil der Geschwister entrüstet war, die nicht wußten, wie schwer es gewesen war, eine anständige Person bei ei­nem sehr hilfsbedürftigen alten Mann zu halten.]

 

In der Zeit wohnten die Vettern Walter Triebel, Walter Ludwig, Martin usw. in ihrer Studienzeit dort. Die Helmboldten wurde durch ihre üppigen Mahlzeiten "berühmt", dir» nie den Verwandten vorzusetzen pflegte« Es gab dann zum Abendbrot die fettesten Genüsse, Aal, Oelsardinen, Schinken auf einmal usw. In der jetzt so ärmlichen Zeit fallen mir die üppigen Aufschnittarten nicht mehr ein, ich weiß nur, daß die Vettern und wir immer darüber lachten, es war unmöglich, die Mengen, die sie auftischte, zu vertilgen.“

 

 

 

Marie Clementine Herzfeld fand auf dem Nordfriedhof in Halle neben ihrer Mutter Clementine Amalie v. Thielenfeld, verw. Wuesthoff, verh. Camurri ihre letzte Ruhe­stätte.

Ludwig Herzfeld, der ältere Bruder meines Großvaters Martin, der zu die­ser Zeit in Halle Jurisprudenz studierte, berichtet nach diesen Ereig­nissen an seinen Vater Heinrich in Greifswald:

 

               

 

"Der Großvater läßt jetzt eine Vergrößerung von Großmutters Photographie machen. Tante Mariechen, O.(nkel) Julius u. T.(ante) Grete wollen sich auch eine machen lassen, der Preis wird wohl 40 - 50 M. betragen. Die Aufzeichnungen, die die Großmutter für die Enkel gemacht hat und Gedichte sollen gedruckt werden. In diesem Brief sind ein paar Glück­wünsche von Dir, die sich unter Großmutters Papieren fanden, und die ich auf dem Martinsberg bekommen habe." Am 1. Mai 1900 berichtet er nach Hause:

 

"Am Mittwoch war ich bei Onkel Paul zum Abendbrod eingeladen, es gab furchtsbar viel zu essen + Bowle. Am Donnerstag war ich bei Onkel Albert. Tante Mietze ist am Sonnabend nach Ratibor zurückgefahren. Walter ist in Torgau. Er will wirklich Offizier werden, hat sich bereits vom Stabs­arzt in Torgau untersuchen lassen. Was Tante Clara Euch erzählen kann, will ich lieber gar nicht schreiben, da der Brief wahrscheinlich höch­stens gleichzeitig mit Tante Clara zu Euch kommen wird. - Der Großvater ist jetzt in Rom und wird, wie er an Tante Anne geschrieben hat, wohl erst Pfingsten zurückkommen. Es geht ihm ganz gut und er möchte, wie Tan­te Liese, die auch mit ist, schreibt, so lange wie möglich dort bleiben."

 

Zu Beginn des Jahres 1901 schreibt er an seine Mutter

"Welches Buch von mir ist noch da ? Ich glaube kaum, daß es sich lohnt, es zu schicken, weil ich in etwa 4 Wochen nach Hause komme (I.März ungefähr). Wo soll ich denn nächstes Semester studieren ? In Halle sicher nicht ? Weil ich mich doch exmatrikulieren lassen muß, möchte ich es gern bestimmt wissen. - Onkel Paul und Tante Mariechen reden mir zu, noch ein Semester in Halle zu bleiben; aber das geht doch nicht gut ? - Die Wohnung auf dem Martinsberg (I.Stock) ist zum 1. Juni an Generals vermiethet (für 2400 M). Der Großvater zieht unten hin, Onkel Wolfgang nach Schillerstr. No. 3. hm vorigen Dienstag kam der Großvater nach Hause (von Dresden). Es geht ihm ganz leidlich gut, wenn er auch angegriffen ist, Ostern will er nach Greifswald kommen, er fährt nämlich im April nach Neu-Strelitz. Jetzt nimmt er mit Onkel Wolfgang, Reinold und Tante Lise italienische Stunde; ich gebe welche, d.h. keine italienische u. zwar dem Sohn von Tante Feldmanns Schwager; jeden Tag 1 Stunde. Man kann auf dem Eis Schlittschuhlaufen - bis gestern."

Ludwig setzte seine Studien in Halle nicht fort, dafür ließ sich sein Bruder Martin im Sommer 1901 an der Universität Halle einschrei­ben.

 

Die erwähnten Italienischstunden standen im Zusammenhang mit der für Mai geplanten Reise des alten Ludwig an die Riviera. Wieder einmal nahm er eine der "bösen" Schwiegertöchter mit. Diesmal war es die Frau seines Sohnes Paul Georg, eine Schwester der Therese Triebel, die uns bereits aus dem vorangegangenen Briefwechsel bekannt ist.

„Sie war 1901 als Schwiegertochter endlich an die Reihe gekommen, eine der schon erwähnten Italienreisen meines Großvaters an die Ri­viera mitzumachen, und trat die Fahrt an, obwohl sie bereits vorher Gallensteinanfälle gehabt hatte, die aber in Halle bei sachgemäßer Behandlung ohne Schwierigkeiten überwunden worden waren. Auf der Reise wurde sie krank, schleppte sich aber, um die anderen nicht zu stören, bis Avignon mit und verschlimmerte dadurch das Leiden in einer Weise, daß es bereits zu spät war, als mein telegraphisch her­beigerufener Vater in die alte Papstresidenz geeilt kam. Er hat mir später erzählt, daß in Halle eine Rettung durch einen operativen Ein­griff, wie er damals am Elisabethkrankenhaus schon gemacht wurde, durchaus noch "möglich gewesen wäre. In Avignon fehlte jede Mög­lichkeit eines chirurgischen Eingriffes, und selbst mit Medikamenten ist er auf Schwierigkeiten gestoßen. So hat er erleben müssen, daß die Mutter seiner vier Kinder in seinen Armen starb, ohne die Unabwend­barkeit dieses harten Schicksals wirklich zu übersehen und sich inner­lich mit ihm abgefunden zu haben. Wir Kinder waren davon nicht unterrichtet worden, weil uns der Vater selbst die Trauerbotschaft mit­teilen wollte. Dadurch kam es für mich zu einer kleinen Katastrophe. Ich ging eines Tages aus der Schule mit dem Sohn eines höheren Ei­senbahnbeamten nach Hause, der zur Kundschaft meines Vaters ge­hörte. Ich war wiederholt bei ihm im Hause gewesen, das sich an Geburtstagen durch eine bei uns nicht übliche üppige Gastlichkeit auszeichnete. Da teilte er mir plötzlich mit, daß der Sarg mit der Lei­che meiner Mutter auf dem Bahnhof eingetroffen sei und sein Vater ihn bereits gesehen habe. Ich fiel aus allen Wolken und wollte das nicht glauben, um bei der Rückkehr  in unserer Haus den Vater anzutreffen und von ihm die gleiche Trauernachricht mitgeteilt zu erhalten. Alles andere verschwimmt im Nebel. Ich erinnere mich nur noch an den Trauergottesdienst, den Weg hinter dem Sarge und wie wir drei Jungen mit unserem Vater am offnen Grabe standen. Tante Clara Knaths, die sich in den Jahren der Witwerschaft meines Vaters rührend um uns Kinder ihrer Lieblingsschwester gesorgte hat, erzählte mir später oft, wie hoffnungslos elend wir kleinen Jungen ausgesehen hätten, die wir die Tragweite des Geschehens noch nicht übersehen konnten , aber gefühlsmäßig doch ahnten, was uns betroffen hatte.“20

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Einige Begebenheiten aus dem Privatleben Ludwigs und der Familien­mitglieder  in Halle, sind durch meinen Großvater  Martin Herzfeld/ der in den Jahren 1901-1905 an der dortigen Universität studierte, in den Briefen an seinen Vater Heinrich und seine Mutter in einer 'etwas' sarkastischen Weise geschildert worden. Im Laufe des August 1901 scheint er in Halle eingetroffen zu sein.

Halle 19.8.1901 Liebe Eltern !

Daß ich heute (1/2  9 Uhr) schreibe, ist Tante Mietzes  Verdienst, die mir die nötigen Materialien hier auf dem Martinsberg  ' ver­schafft hat. Ich wohne vorläufig bei Onkel Paul Herzfeld . Geld braucht ihr mir nicht zu schicken, weil ich hier keinen Pfennig verbrauche. Außerdem hat mir Onkel Albert   2O M gegeben... Bücher schickt mir vorläufig nicht, ich rühre doch keines an. Ausserdem hat Onkel Hans genug. Die praktische Arbeit ist eigentlich eine feine Sache ...

Onkel Hansens Geschäft wird übrigens immer größer, er beleuchtet

schon ganze Ortschaften und große Fabriken. Daneben allerdings

nur Uhrmacherläden ... manchmal verkauft er auch Kochtöpfe oder

so was. Aufträge hat er immer sehr viel, aber kein Mensch bezahlt

ihm was ...

Es geht allen ganz gut. Nur der Großvater ist recht schwach. Es

 freute ihn sehr, daß Tante Mietze ihn besuchte ...

Unter dem Datum vom 14.9.1901 weiß Martin zu berichten:

"Onkel Reinold ist da, es geht ihm gut. Er arbeitet viel und spielt jeden Abend 'Über den Wellen". Heute ist er zum erstenmal zur-Preußenkneipe nicht hingegangen." über das Schicksal Reinolds wird noch mehr zu sagen sein. Martin Herzfeld fährt dann fort:

"Das Fräulein hat auf Betreiben der Tanten gekündigt und sich mei­ner Ansicht nach sehr gut und anständig benommen, aber ich sage es nicht, weil ich dann vielleicht nicht mehr überall so viel zu essen kriege." Diese Notiz bezieht sich wohl auf den Haushalt des alten Ludwig in Halle, Martinsberg 4.

Im Zusammenhang mit dem geplanten Wechsel seines Domizils merkt er an: "Ich ziehe nur zu Tante Klara unter der Bedingung, daß ich nicht'fein' sein muß und mir keinen neuen Anzug machen zu lassen brauche..." Am 21.10.1901 meldet er dann jedoch: "Morgen ziehe ich zu Tante Klara 21..." und verweist darauf, daß "Onkel Wolfgang 22 geräuschloses Straßenpflaster erfunden" hat.

Das Jahr neigt sich seinem Ende entgegen, Weihnachten steht vor der Tür und Martin verstärkt die Absetzbewegung von der engeren Familie:

 

 

Halle, 22.11.01 (Poststempel)

Liebe Mutter !

Ich möchte Weihnachten wirklich nicht nach Hause kommen. Gestern war auch Erl. Hausmacher bei Knathsens und fragte mich: Ach, Weih­nachten gehen sie doch wohl nicht nach Hause. Ne, gnädiges Fräu­lein, sagte ich, ich will mir für das Reisegeld lieber en Winter­überzieher kaufen. Onkel Albert hält es auch für selbstverständlich, daß ich Weihnachten in Halle bleibe. Tante Klara auch! ... Frl. Hausmacher sagte noch, ich sähe Dir sehr 'ähnlich. Allerdings habe ich, seit ich in Halle bin, sicher schon 5O Leu­ten 'ähnlich1 gesehen. Ich scheine überhaupt ein Universalgesicht zu haben. Neulich kam ein schöner junger Student auf offner Straße auf mich los gestürzt, faßte meine Hand und fragte mich mit be­drückten Ton, warum ich ihn denn nicht mehr besuche, als ich ihn fassungslos anstarrte, ob ich denn im Sommer mit einen gewissen John verkehrt hätte (wahrscheinlich er selbst) ! Dann schämte er sich gewaltig, entschuldigte sich und lief fort, ehe ich ihm eine Antwort finden konnte.

Herzlichen Gruß. Darf doch da bleiben ? Martin

Erst zu Beginn des Jahres 1903 finden sich in Martin Herzfelds Briefen wieder Hinweise auf die Familie in Halle. Am 13.2.03 fragt er zu Hause an: Wollen die Kinder eigentlich zu Onkel Pauls23 Hochzeit fahren ?"  Er weiß dann zu berichten:

" Onkel Paul ist nach Berlin gefahren, um sich von seiner Braut einen Schlips kaufen zu lassen. Die neue Tante gefällt mir sehr gut. Sie küßt alle Leute beim Kommen und Gehen. Wir haben berech­net, daß der Großvater während ihres Hierseins 21 Küsse bekommen hat. Es gehr hier allen sehr gut. Onkel Reinold ist jetzt in der Chirugie.

Onkel Hans24 hat sich eine Schreibmaschine gekauft. ... Onkel Wolfgangs  Villa ist fertig, sie hat eine sehr schöne Dampfheizung, welche Onkel Hans gemacht hat.

Onkel Hans erzählt auf dem Martinsberg, wenn er jetzt keine Arbeit kriegt, werde er bankrott. Er hat Onkel Willi25 für 60 M Schnaps abgekauft, den er hier wieder verkauft.

 

Hans Herzfeld weiß über seine vom Martin erwähnte Stiefmutter zu berichten:

 

„Unsere arme Stiefmutter hat aber schwer gegen die Reste der Über­gangszeit anzukämpfen gehabt, bis ihre Stellung in der großen Fami­lie, die sie pflichtbewußt übernommen hatte, gefestigt war. Mein Vater hatte sie im Grunewald durch Tante Klara kennen gelernt und sich auch dort verlobt. Auch wir Kinder waren in diesen zwei Jahren immer wieder in der schönen Villa mit ihrem ausgedehnten Garten und der strengen Erziehung von Tante Klara zu Haus, die freilich auch verstand, wie eine Löwin für ihre Kinder zu kämpfen. Die Nei­gung vieler Familienzweige, die Grunewalder mit ihrem schlagferti­gen Berliner Mundwerk und ihrem raschen, leicht spöttischen Witz als etwas Unheimliches anzusehen und unter Umständen lieber zu meiden, ist so niemals auf uns übergegangen, obwohl Tante Klara auch uns einen gehörigen Respekt abzwang. Aber das Gute überwog doch. Wir lernten doch auch durch sie Wertheim und die erste Berli­ner Untergrundbahn kennen. Eines Tages kam sogar der Kaiser auf dem Rückweg aus dem Grunewald am Gillweg vorbei, und Maus und Lore nahmen uns schnell genug an die Hand, so daß wir ihn noch aus nächster Nähe mit kleinem Gefolge, stattlich für uns und Ehrfurcht gebietend, vorbeireiten sahen. In dem Hause Gillweg 9 wohnten wir auch, als unser Vater wieder heiratete und wir dabei eine große Hochzeit mitmachten, deren Friedensglanz uns maßlos imponierte.

Unserer Stiefmutter brachten wir besten Willen und grenzenlose Hoffnungen entgegen. Diese haben uns Jungen trotz aller Schwierig­keiten auch nicht getrogen. Nur für meine damals noch sehr kleine Schwester Ilse ist der Übergang schwer geworden und hat nie zu ei­nem völlig reinen Ergebnis geführt. Offenbar ist für ein Mädchen die Anerkennung des Ersatzes der blutgebundenen eigenen Mutter durch

 

eine Stiefmutter im Gegensatz zu Knaben kaum möglich. Dazu kam, daß auf ihr die altmodisch gut gemeinte Strenge unserer zweiten Mut­ter wohl am meisten lastete. Selbst als Ilse im Weltkrieg schon das Lehrerinnenseminar besuchte und beide Frauen sich unter der schwe­ren Last der Kriegsarbeit und dem tiefen Kummer nach dem Tode Werners (1915) ehrlich und voll zusammenfanden, wurde das Ergeb­nis doch dadurch gekreuzt, daß meine überarbeitete Stiefmutter sich für die Mädchenerziehung in ihre strengste Überlieferung und Fröm­migkeit flüchtete. Während ich ihr schon als Gymnasiast Keller und Storni vorgelesen hatte und meine ganze Begeisterung etwa für Ro­meo und Julia auf dem Dorfe ohne erkennbaren Widerstand auslas­sen durfte, hat sie Ilse noch im Prüfungsjahr die gleiche Lektüre als für Mädchen unpassend untersagt und entzogen, obwohl dies schon wegen ihrer Schullaufbahn ein völlig unmögliches Unterfangen dar­stellte. Ilse hatte daher nach dem Examen so bald wie möglich das Elternhaus verlassen und wohl verlassen müssen.

Wir Jungen dagegen haben sie mit ihrer rührend aufopfernden, pflichtstrengen Liebe schließlich ganz als wirkliche Mutter erkannt und geliebt. Es war für uns mutterlose Knaben ein geheimnisvolles Gefühl, wenn wir auf ihrem Schoß sitzen und wieder das Maß an Frauenliebe empfinden durften, das für Kinder unbewußt und doch unentbehrlich ihr ganzes künftiges Verhältnis zum weiblichen Ge­schlecht bestimmt. Ich weiß, daß ich noch als Leutnant in seltenen stillen Abendstunden mit grenzenloser Dankbarkeit diese Wärme empfunden habe, wenn wir - etwa im kurzen Kriegsurlaub des Sommejahres - wirklich einmal in dem großen Eßzimmer der Königs­straße allein waren. Unvergeßlich sind mir die kritischen Tage und Wochen, als Nervenkrisen meines Vaters sie zwangen, mich schon als älteren Schüler und noch mehr als Studenten ins Vertrauen zu ziehen und für sie mit ärztlichen Kollegen meines Vaters verhandeln zu las­sen. So ist für uns drei älteren Knaben die zweite Heirat meines Vaters doch zweifellos ein rettender Entschluß gewesen, für den wir nicht dankbar genug sein können.

Bis dies Ergebnis aber erreicht war, hat es meine Stiefmutter lange genug bitter schwer gehabt. Wir waren gründlich aus den Fugen ge­raten, und es gehörte eine schwere Kleinarbeit der Erziehung dazu, l ehe der Schaden in Sauberkeit, Haltung, Benehmen wieder ausgegli­chen war. Da meine Stiefmutter als Kind einer alten Familie höherer Beamten, der sie mit berechtigtem Stolz angehörte, auf diese Dinge auch in Äußerlichkeiten starkes Gewicht legte, hat sie sich wohl

manchmal über Gebühr aufgeregt und aufregen lassen. Ohne nachzu­geben, aber letzten Endes auch ohne entmutigt zu werden, hat sie diese jahrelangen Schwierigkeiten überstanden. Wieviel Kummer hat ihr jede Schulschwierigkeit gemacht! Sie hat um Werners schwere Kinderzeit auf dem Gymnasium zahllose Tränen vergossen, und wenn sie ihm manchmal dieses Dasein vielleicht durch eine leichtere Hand etwas mehr hätte erleichtern können, so hat sie selbst an dem Kummer, den er durchmachen mußte und den sie teilte, am schwer­sten getragen. Vielleicht irre ich mich nicht, daß ich in vielem die schwierigste und komplizierteste Aufgabe gewesen bin, die sie lösen mußte. Ich war der Älteste und versuchte wohl am längsten, noch Ha­ken zu schlagen, ehe ich mich ganz ihrem Einfluß ergab und ihre Lie­be anerkannte. Um so tiefer ist das Gefühl der Befriedigung gewe­sen — und ich hoffe: auf beiden Seiten —, als wir uns endlich in mei­nen letzten Schuljahren mit vollem Bewußtsein fanden. Mein Verhält­nis zu ihr als Student ist so schön gewesen, wie man es nur mit der eigenen Mutter denken kann. Sie hat meinen großen Freundeskreis mit nie versagendem Anteil in ihrem Hause aufgenommen und mit meinen besten Freunden wie Riewald und Willi Westphal ein ganz persönliches Verhältnis der Anerkennung von ihrer Seite für Charak­ter und Begabung der beiden, der Verehrung von selten meiner Freunde für sie gehabt, das ich ihr nicht genug danken konnte. Denn sie war durch die Schwierigkeiten, die der Wandervogel in mein Ver­hältnis zu den Eltern anfangs gebracht hatte, zunächst geneigt gewe­sen, in diesen Freunden Elemente

 

        Karl     Hanna   Werner  Edda   Werner  Hans    Paul H.        Ilse

     

bösen Einflusses zu sehen, um diesen Verdacht erst bei persönlicher Berührung aufzugeben. Bei al­ler Strenge und manchmal Enge ihrer Auffassungen war sie im letzten Grunde doch eine tief liebevolle Frau und eine unbedingt vornehme, gewissenhafte Natur, die sich in solchen Fällen restlos zu überwinden und anfängliche Irrtümer richtig zustellen verstand. Das habe ich zum mindesten seit meiner Obersekundanerzeit schon selbst beobachten können und bin ihr dafür im tiefsten Herzen so dankbar gewesen, wie nur ihr eigener Sohn es hätte sein können. Ich verdanke es ihr nach meiner Mutter, daß die Erinnerung an meine Kindheit heute in unge­trübtem Glanz vor mir liegt.“26

 

Onkel Willi war neulich hier und erzählte von seiner Fabrik, sei­nem Haus, seinem neusten Bauplatz, seiner Haushälterin, seinen Hühnern u.s.w. in Thorn. - Ostern wollen Onkel Alexander26a mit allen Kindern  hier nach Halle kommen. Onkel Walter27 wollte auch mit allen Kindern kommen, um sein Fahrrad fertig zu erfinden, er darf aber nicht.

Warum hat Gottfried28 noch keine Waldesliederkompositionen ge­schickt ? Neulich habe ich das Bärbchen29  - es ist noch nicht getauft - gesehen. Es sieht aus wie andere kleine Kinder ...

 

                                                 Halle, o. D. (Anfang 1903)

"Onkel Wolfgangs Haus ist bedeutend hübscher geworden, seit dem es aus dem ersten Stadium der Entwicklung heraus ist. Das Bärbchen wird ebenfalls allmählich menschenähnlicher, es besappert sich beständig und wird zärtlich geliebt ...

 

 

 

 

                                                

Will Maria 30 gleich nach ihrer Confirmation in die Welt wetzen ? Ich würde an ihrer Stelle erst ein Jahr in Greifswald verbummeln, in Konzerte und Theater gehen, außerdem Tanz und Benehmungsstunde nehmen, und Bücher, mit Malerei und Gedichtkunst & dilletantisch treiben. Ich denke es mir gar nicht unmöglich, daß die eine Tante Hanni sie einlädt, welche sehr nett ist und mich sehr gut zu lei­den hat. Maria würde allerdings neben ihr so aussehen:

 

 

 

 

Der Pastor Lang würde dann wie bei der Taufe von Bärbchen, als sich Fritzel31 sich in der Nase bohrte sagen: Seht, welches liebliche Familienbild !

 

Gestern war ich mit Tante Anna32 und Dore 33im Burgkonzert, was nichts kostete. Es wurde die Es Dursymphonie von Mozart ge­spielt, das Erl. Behr (Berlin, sehr berühmte Altistin) sang und zwar wundervoll, Lieder von Nietzsche, Birbaum, Lilienkron u.s.w. Dagegen sang Charlotte Huhn neulich durch die Nase und in der Arie

„I Geh weg" der Abscheulichen schnappte sie dreimal deutlich über. Im Burgkonzert ward noch die Leonoren (Fidelio)Ouvertüre gespielt.

Hier geht alles gut, mir geht es so lala. Hoffentlich geht es Euch allen gut. Mit vielen 1. Grüßen an Euch alle, bleibe ich Euer treuer Sohn, Neffe und Bruder Martin

Heute kam hier ein Brief aus Amerika von Onkel Oskar an, nächstens schreibe ich hiervon.34

 

 

 

 



1 Heinrich Wolfgang Herzfeld, geb. am 14.Dezember 1914 in Ber­lin, gest. 18.Februar 1994 in Rockville, Maryland U.S.A.

 

 

2 Ilse Marie Herzfeld, geb. 10. April 1927 und Dr. Anne Herz­feld, geb.18.7.1934; sie sind Töchter des Dr. med. Enno Herzfeld

3   Martin Herzfeld, Patentanwalt, Dr. phil., Dipl.-Ing., wurde als zweiter Sohn des Geh. u. Landgerichtsrats Heinrich Herz­feld und seiner Ehefrau Therese geb. Triebel, am 1.April 1883 in Haigerloch/ Hohenzollern geboren. Martin lebte von 1927 bis zu seinem Tode (16.6.1970) in Düsseldorf und war als Patentanwalt tätig. Er war ein älterer Bruder des Enno Herzfeld.

 

4  Heinrich Herzfeld, geb. 4. Nov. 1851 in Sprottau, gest. 1.Sept. 1933 in Gütersloh beim Besuch seines jüngsten Sohnes des bereits genannten Enno Herzfeld. Seine Ehefrau Therese wurde am 19. Februar 1854 geboren, sie starb am  14. Dezember 1912 in Greifswald. Heinrich lebte zunächst mit seiner Familie in Haiger­loch, später in Neuwied, dann in Greifswald, Roonstraße (heute Rudolph-Breitscheidt-Str. 15). In seinem Haus lebt nun eine Enkeltochter Gudrun Kliewe geb. Ricken mit ihrem Ehemann Ulrich.

 

5 Aus dem Nachruf einer Hallenser Zeitung vom 25.April 1911.

6   Später sollte das Haus einer seiner Söhne, des Albert Herz­feld, Wittekindstr. llb (jetzt 17) die Anlaufstelle der Fami­lie werden.

7 Hans Herzfeld, Hans Herzfeld, Aus den Lebenserinnerungen, Veröffentlichung der Historischen Kommission zu Berlin, Band 81,, hrsg. Von Willi Real, Berlin 1992,S.23.

 

 

 

8 Dorothea Schober geb. Herzfeld, geb. 17.Nov.1884 in Halle, eine Tochter des Albert Herzfeld, gest. 4.8.1970 in Halle.

 

9 Ludwig Herzfeld, ältester Sohn des Heinrich Herzfeld, geb. 21.Mai 1881 in Haigerloch/Hohenzollern, gest. ...in Düsseldorf. Sein Bruder Gottfried, geb. 3. Juni 1885 in Haigerloch, gest. ...in Wiesbaden.

10 Johannes Georg Herzfeld (genannt Hans) Herzfeld, Sohn des alten Ludwig, geb. am 4. Oktober 1856 in Sprottau, gest. am 11. Dez. 1913 in Bozen-Gries. Seine Urne wurde bei dem Grabe seiner Mutter auf dem Nordfriedhof in Halle beigesetzt,verheiratet mit Clara geb. Görsch, geb. Berlin am 16.Nov.1866,gest. in Halle am 14.Jan.1919.

 

11 Aus den Lebenserinnerungen Dore Schobers, Halle 1956, S.29f. Eine andere Enkeltochter, Clementine Bartens, schrieb in Er­innerung an diesen Tag. "Die schönsten Feste erlebten wir in Halle an der Saale, zum ersten Mal 1899, als die Goldene Hochzeit unserer Großeltern gefeiert wurde. Die Großmama Marie Herzfeld hatte ich in mein Herz geschlossen, als ich als ganz kleines Mädchen zum ersten Mal nach Halle mitgenom­men wurde. Voll Sorge zerbrach ich mir den Kopf vorher, wie wohl die Großmama aussähe, denn weit und breit hatte ich noch nie eine zu Gesicht bekommen. Schließlich stellte ich sie mir wie eine Hexe in Hansel und Gretel vor und war freudig über­rascht, als ich sie sah, und sie eine schöne alte Frau war, die ihre Zöpfe als Kranz um den Kopf trug. - Ich war 11 Jahre, als nun am 23. Oktober 1899 die Goldene Hochzeit gefeiert wurde." (Clementine Bartens, a.a.O.; S. 72f. Vgl. auch Teil II, Anm. )

12Marie Louise Clementine Dorothea (genannt Mietze), geb.24.Febr. 1859 zu Sprottau, gest. 6.Nov.1924 zu Blankenburg a. Harz, ver­heiratet mit dem Geh. Bergrat Julius Triebel, geb. 21.Mai 1850 zu Löbejün, gest. 16.August 1916 zu Blankenburg a. Harz.

13 Julius Triebel s.o

14 Marie Herzfeld, geb. 7. Juni 1887 in Neuwied, sie verheiratet mit dem Studienrat Ricken, gest. 14. April 1968 in Greifswald. Sie bewohnte das Haus ihres Vaters  Heinrich Herzfeld in Greifswald, Roonstr. 15  (jetzt Rudolph-Breitscheidt-Straße) wo  bis  heute eine Enkeltochter Gudrun Kliewe geb. Ricken mit ihrem Ehemann Ulrich   ansässig ist.

15 Der Verfasser der hier zitierten Briefe Martin Herzfeld, Patent­anwalt, Dr.phil., Dipl.-Ing. wurde als zweiter Sohn des Geh. u. Landgerichtsrats Heinrich Herzfeld (geb. 4.Nov.1851 in Sprottau, gest. 1.Sept.1933 in Gütersloh beim Besuch seines jüngsten Soh­nes Enno) und seiner Ehefrau Therese geb. Triebel (geb. 19.Febr.1854, gest. 14.Dez. 1912 in Greifswald) am  l.April 1883 in Haigerloch/Hohenzollern geboren. Martin lebte von 1927 bis zu seinem Tode (16.6.1970 ) in Düsseldorf. –

 

  

 

 

16 Siegfried und Agnes Beisert ...

17 Bei dem Kind, das getauft werden soll, muß es sich um Renate, Lotte, Ilse Schulze, geb. am 4. Juni 1894 in Halle, handeln. - Renate war mit Walter Lange, Generaldirektor der Chemischen Produkten-Fabrik in Stettin, geb.29.5.1884 in Stettin, gest. 4.2.1966 in Berlin, verheiratet mit Werner Lange, Generaldirektor der Chemischen Produkten Fabrik Pommerensdorf-Milch in Stettin, Berlin, Danzig. ratet. Renate starb am 13.9.1982 in Bd.Blankenburg.

 

18 Elisabeth Herzfeld

19 Reinhold Herzfeld geb. 31.Mai 1876 in Halle, gest. 7. April 1903 in Schierke (Harz).

20 Hans Herzfeld, Aus den Lebenserinnerungen, Veröffentlichung der Historischen Kommission zu Berlin, Band 81,, hrsg. Von Willi Real, Berlin 1992,S. 35f.

21 Es ist nicht ganz klar, ob es sich um, Clara geb. Görsch, der Frau von Hans Herzfeld,handelt oder um Tante Clara aus der Triebel-Familie.

22 Wolfgang Herzfeld

23 Paul Eberhardt Herzfeld, Dr.med. Sanitätsrat in Halle, geb. am     6. März 1856 in Sprottau. In erster Ehe verheiratet mit Marie Triebel, geb. am 8. Aug. 1865, gest. 15. Mai 1901 in Avignon. Bei der Braut handelt es sich um Hanna Hagen, geb. 15. Au­gust 1866, gest.28.Nov.1918 in Halle.

24 Johannes Georg Herzfeld (genannt Hans) Herzfeld, Sohn des alten Ludwig, geb. am 4. Oktober 1856 in Sprottau, gest. am 11. Dez. 1913 in Bozen-Gries. Seine Urne wurde bei dem Grabe seiner Mutter auf dem Nordfriedhof in Halle beigesetzt.

25 Wilhelm Eduard Herzfeld, geb. 1O.April 1867 in Sprottau, gest. 26.Sept. 1926 in Halle, verheiratet mit Maria geb.Klein, lebte in Mocker bei Thorn, wo er eine chemische Fabrik betrieb.

26 Hans Herzfeld, Aus den Lebenserinnerungen, a.a.O., S.39ff.

26a Alexander Leopold Herzfeld, Prof.Dr. Geh.Reg.-Rat, geb. zu Sprottau am 7. September 1854, gest. in Berlin-Grunewald am 1. September 1928. Über seinen Lebensweg kann man sich in der Neuen Deutschen Biographie informieren. Alexander war ver­heiratet mit Clara geb. Kieschke, geb. 15.Okt. 1864 in Ber­lin, gest. 13. März 1926 in Berlin-Grunewald.

27 Walther Ernst Herzfeld, geb. zu Sprottau am 1O. Mai 1864.gest. am 14. März 1829 in Dresden. Er war verheiratet mit Katharina Helene Marie Louise, geb. Herrmann, geb. am 27.3.1873 in Sagan/ Schlesien. Walther Herzfeld war als praktischer

Arzt in Dresden tätig.

28 Gottfried Herzfeld, Studienrat Dr.phil, geb. 3.Juni 1885,

gest. 12.9.1976,  ein Bruder von Martin Herzfeld. Gottfried war verheiratet mit Elly geb. Winegg-Schliep, geb. I.August 1892, gest.9.11.1989.

29 Marie Luise Barbara (Bärbel), geb. 4.Dez. 1902 in Halle, war eine Tochter von Wolfgang Herzfeld. Sie war mit Dr. Franz Liefler in Linz a.D., Kapellenstr. 9 verheiratet. Sie starb am 5.Februar 1990. Ihre Tochter Lore, geb.19.Aug.1924, lebt unter derselben Adresse in Linz.

30 Maria Herzfeld, - eine Schwester des Martin* geb.7.Juni 1887 in Neuwied, war verheiratet mit dem Studienrat Ricken in Wolgast. Sie starb am 14.April 1968 in Greifswald. Ihre Toch­ter Gudrun (geb.28.Aug.1921, ist, wie erwähnt, noch im alten Haus der Familie ansässig.)

 

31 Fritz Karl Ludwig Franz Herzfeld, geb. 11.Juni 1898 in Halle, ein Sohn von Wolfgang, der Bruder Bärbels, er war bis 195. als Rechtsanwalt in Halle tätig. Der ehemalige Außenminister Hans Dietrich Genscher war während seiner Referendarzeit in der Praxis von Onkel Fritz beschäftigt. Aufgrund der politi­schen Verhältnisse in der DDR musste er nach Westdeutschland flüchten

32 Anna Marie Clara, Tochter des Apothekers Gustav Poppe in Ar­tern i.Th., geb. am 11. April 1859, war verheiratet mit Albert Ludwig Herzfeld

33 Aus dieser Ehe ging als drittes Kind Dorothea Wilhelmine Mar­garete, genannt Dore hervor (geb. am 17.Nov.1884 in Halle).Sie war verheiratet mit Dr.med. Carl Thomas Schober (geb.9.Nov.1877)

34 Oscar Wüsthoff, ein Bruder von Marie Clementine Herzfeld geb. Wüsthoff (geb. am S.Dez. 183O in Schloß Ober-Gorpe bei Sagan, gest. am 9.Januar 19OO in Halle), der Frau von Ludwig Herzfeld, Gutsbesitzer in Ebersdorf/Schi., dann Kaufmann in Görlitz, wan­derte nach Amerika aus, lebte als Farmer in Utah, verheiratet mit Marie geb. Blech.